In Lorsch ist es in den vergangenen 15 Jahren in besonderer Weise gelungen, für das Kloster – im 8. Jahrhundert gegründet und einst ein reiches Macht- und Wissenszentrum – neu zu interessieren. Das Areal um die Torhalle, seit 1991 Unesco-Weltkulturerbe, ist heute ein viel frequentierter und beliebter Treffpunkt mitten im Stadtzentrum. Lorscher und Lorsch-Besucher lieben den Aufenthalt in dem großzügigen Gelände gleichermaßen. Diese erfolgreiche Entwicklung hat sich aber nicht von selbst ergeben – und manches war durchaus sehr umstritten.

Die Neugestaltung des Geländes rund um die Königshalle war zum Beispiel mit Baumfällungen verbunden. Die Frage, ob ein Großparkplatz angelegt werden soll, sorgt jahrelang für heftigen Streit. Der Bau von Lauresham wird von Kritikern zunächst als eine Art „Disneyland“ abgelehnt, die Errichtung des gläsernen Informationszentrums als „Gewächshaus“ bespöttelt. Vor genau zehn Jahren wurde die Einrichtung im Klosterfeld, die einen anschaulichen Einblick ins Mittelalter bietet, eröffnet. Lauresham will kein Vergnügungspark sein, sondern ein Experimentalarchäologisches Freilichtlabor – und es hat sich durch seine Arbeit international Anerkennung verschafft. Unter anderem pflegt es eine Kooperation mit der Universität Oxford. Auch für das Auerrindprojekt, mit dem Rinder an den ausgestorbenen Auerochsen herangezüchtet werden, ist die Aufmerksamkeit groß.

Auch spektakuläre Ausstellungen wecken Interesse. BILD: SASCHA LOTZ
Auch spektakuläre Ausstellungen wecken Interesse. BILD: SASCHA LOTZ

Man kann in Lauresham forschen, lernen und auch einfach viel Freude an einem Besuch haben. Die dort lebenden Tiere, allen voran die Ochsen David und Darius, bleiben für viele Gäste die Stars.

Der begehrte Titel Weltkulturerbe ist ein großes Glück, um das zahlreiche Kommunen die Stadt beneiden. Dass er auch Verpflichtung bedeutet, merkt man in Lorsch aber schnell. Nicht wenige Besucher, die mit dem Titel Welterbe mächtige Stätten wie die Pyramiden von Gizeh, den Papstpalast in Avignon oder den Kölner Dom verbinden, zeigen sich jedenfalls enttäuscht, wenn sie nach Lorsch kommen: Wo soll die Welterbestätte sein, fragen sie, wenn sie erwartungsvoll vor der Königshalle stehen.

Die weltberühmte Torhalle hat zwar mehr als 1250 Jahre alle Stürme fast unbeschadet überdauert, vom bedeutenden Kloster aber ist nur noch wenig originäre Bausubstanz erhalten. Klar ist: Lorsch muss die besondere Bedeutung des Klosters besser vermitteln. Deshalb wird 2014 – zur 1250-Jahrfeier der Stadt – ein landschaftlich neu gestaltetes, viel weiträumiger wirkendes Welterbe-Areal eröffnet. Zudem werden die Bücher der einst berühmten Bibliothek durch Digitalisierung zugänglich gemacht. Auch die Lorscher Museumspädagogik erhält viel Lob.

Es gibt viel beachtete Ausstellungen – und in den vergangenen zehn Jahren zwei weitere Welterbe-Titel: Sowohl das Lorscher Arzneibuch als auch das Lorscher Evangeliar werden in diesem Zeitraum in das Unesco-Weltdokumentenerbe aufgenommen und unterstreichen damit die große Bedeutung von Lorsch. Nina Schmelzing