Von der 50-jährigen Geschichte der Gemeinde Lautertal hat Bürgermeister Andreas Heun die Kommune bisher nur ein kurzes Stück des Weges begleitet. Seit 2017 ist der Verwaltungschef im Amt, kürzer war bisher nur die Amtszeit von Karl Germann gleich nach der Gebietsreform. Der letzte Reichenbacher Bürgermeister war zwar zunächst von der neuen Gemeindevertretung zum Nachfolger des Staatskommissars Kurt Radtke gewählt worden. Als aber noch 1972 weitere Ortsteile an Lautertal angeschlossen wurde, war eine neue Wahl fällig. Da jetzt die SPD mit der Bürgervereinigung Lautertal eine Mehrheit zusammenbrachte, musste der Freie-Wähler-Mann Germann seinen Hut nehmen und dem Sozialdemokraten Josef Weitzel Platz machen. Bis auf ein kurzes Intermezzo von Gottfried Beyß (CDU) in den 80er Jahren prägte Weitzel die Geschicke der Gemeinde bis 1995, als er nicht ganz freiwillig abtrat und Jürgen Kaltwasser (SPD) ihm nachfolgte. Der wiederum wurde in Folge der Finanzkrise 2017 zum Rücktritt gezwungen.     

Keiner der Lautertaler Bürgermeister ist bisher also freiwillig aus dem Amt geschieden. Gottfried Beyß, der nur sechs Jahre regierte, scheiterte mit seiner Wiederwahl an der SPD-Mehrheit in der Gemeindevertretung. So wie zuvor Josef Weitzel durch Beyß ersetzt wurde, weil die CDU mit den Freien Wählern dominierte.

Ein schlechtes Omen also für den aktuellen Verwaltungschef, der 2023 nochmals zur Wahl antreten will? Man wird sehen. Im Unterschied zu seinen Vorgängern haben Heun und der damalige Erste Beigeordnete Helmut Adam (CDU) sicher die schwierigste Zeit im Rathaus verbracht. Eine beispiellose Verschuldungskrise musste bewältigt werden, die Lautertal an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gebracht hatte. Die Finanzen sieht Andreas Heun daher bis heute als Schwachpunkt der Gemeinde an – zumindest bis ins Jahr 2020. Heun schiebt die Verantwortung nicht einfach auf seinen Amtsvorgänger und dessen Mitarbeiter. Vielmehr sieht er die Ursache für die Schwierigkeiten in einem Konglomerat aus inneren Defiziten und äußeren Einflüssen. Zu Letzteren gehört für ihn einerseits eine deutlich zu schwache Ausstattung der Kommunen mit finanziellen Mitteln durch das Land. Entscheidend sei aber die weltweite Finanzkrise ab 2008 gewesen, mit der ein Einbruch der Steuereinnahmen auf allen staatlichen Ebenen verbunden war.

Die Krise sieht Heun noch nicht vollständig als bewältigt an. Wegen der geringen Finanzmittel habe in Lautertal – wie in vielen anderen Kommunen auch – die Infrastruktur schwer gelitten. Die Sanierung der Wasserversorgung hat die Gemeindevertretung bereits zu Jürgen Kaltwassers Zeiten auf den Weg gebracht. Die Unterhaltung der Kanalisation wurde vor Jahrzehnten an den Zweckverband KMB - den früheren Abwasserverband Bensheim-Lautertal - abgegeben. Bleiben die Straßen, bei denen es einen großen Sanierungsstau gibt. Derzeit wird eine Prioritätenliste dazu vorbereitet.

Das Felsenmeer als Identifikationsmittel

Andreas Heun ist aber davon überzeugt, dass die Gemeinde auch große Stärken hat. Da sei vor allem die einzigartige Lage zwischen den Ballungsräumen Rhein-Main und Rhein-Neckar. Es gebe vergleichsweise gute Verkehrsanbindungen und gleichzeitig lebten die Bürger mitten in der Natur des Odenwaldes. Die Einkaufsmöglichkeiten seien groß, die Gemeinde bemühe sich außerdem um eine gute Infrastruktur in sozialen Dingen. Dazu zählte Heun die rege Vereinslandschaft und die gut ausgebaute Kinderbetreuung. Auch hier sind große Investitionen geplant, um die Kindergärten auf einen modernen Stand zu bringen.

Das Felsenmeer sieht Heun nicht unbedingt als Stärke der Gemeinde. Es sei aber für die Identifikation der Bürger mit ihrer Heimat von großem Nutzen. Schließlich sei das Naturdenkmal so bekannt, dass die Lautertaler auf die Frage nach ihrem Wohnort damit anderen schnell Orientierung geben könnten. Lautertals gebe es schließlich noch mehr in Deutschland. Am Felsenmeer seien aber zahlreiche Leute schon einmal gewesen oder hätten zumindest davon gehört.

Nach Heuns Auffassung hat die Gemeinde sich gut entwickelt. 50 Jahre seien in der Geschichte ja ein kleiner Zeitraum. Trotzdem sei viel passiert. Dabei sei Lautertal „kein Wunschkind“ gewesen, erinnerte Heun an die Auseinandersetzungen um die Neuordnung der Gemeinden 1972. Lautertal sei letztlich durch Zwang entstanden. „Aber so schlecht ist es ja gar nicht.“ Selbst die große Herausforderung, sich wirtschaftlich neu aufzustellen, sei gemeistert worden. Als 1996 die Ciba-Spezialitätenchemie in Lautern ihr Werk aufgab, sei der Kommune der wichtigste Gewerbesteuerzahler weggefallen, erinnerte Heun. Lautertal habe sich aber „ganz gut freigeschwommen“. Auch wenn der Bürgermeister hier einen ersten Kern der späteren finanziellen Probleme sieht. Möglicherweise habe die Politik nicht nachhaltig genug auf die veränderte Einnahme-Lage reagiert.

Dass die Lautertaler sich immer noch eher als Reichenbacher, Gadernheimer oder Schannenbacher fühlen, sieht Heun nicht als Beleg für eine misslungene Integration. Die Zeit sei einfach zu kurz, um eine Lautertaler Identität aufzubauen. Eine bessere Integration müsse wachsen, so etwas könne man nicht verordnen. Die Ortsteile brächten aber „sehr gut ihre Stärken ein“. Die Gemeindeverwaltung habe die Aufgabe, die Interessen der Ortsteile entgegenzunehmen und gegen die Interessen der Gesamtgemeinde abzuwägen. Das gelinge ganz gut, stellte Heun fest.

In den Ortsteilen sieht der Bürgermeister „starke und selbstbewusste Bürger“. Die Ortsbeiräte wirkten dabei als Multiplikatoren und auch als Bindeglied in die Kommunalpolitik. Für die Bürger biete sich die Möglichkeit der Teilhabe an der Politik. Die Gremien hätten bei einer schwächeren Vereinslandschaft als noch vor einigen Jahrzehnten aber inzwischen auch eine soziale Funktion. Das, was früher durch die Vereine geleistet wurde, übernehme inzwischen an einigen Stellen der Ortsbeirat.

Eine Überraschung zum Geburtstag?

Wichtig für die Identität in den Ortsteilen sei, dass nicht alles aufgegeben worden sei: Das alte Schulhaus oder das frühere Rathaus seien immer noch Mittelpunkt der Dörfer. Die Identifikation lasse sich gut stärken durch solche Symbole, aber auch durch die Ortsbeiräte als Forum. Nicht zu vergessen seien die Feste, die inzwischen auch unter Mitwirkung der Ortsbeiräte am Leben gehalten würden.

Dass die Lautertaler noch sehr engagiert seien, zeige das Jubiläumsprogramm, das von der Mitwirkung der Vereine lebe. Heun stellte noch eine Geburtstags-Überraschung für den Sommer in Aussicht. Hinter den Kulissen liefen die Vorbereitungen, er sei optimistisch, dass das klappen werde. Der Vorteil der Dorfgemeinschaft sei, dass man sich viel besser kenne als in der Stadt. Daher sei die Bereitschaft, selbst Engagement zu zeigen, deutlich höher. „Wir haben viele engagierte Leute.“

Über all der Feierstimmung will Heun die Herausforderungen nicht vergessen. Die Haushaltslage habe sich entspannt, hier müsse die Politik aber wachsam bleiben. Auch die Steuerlast für die Bürger müsse im Blick behalten werden. Wichtige Themen seien die Globalisierung, die Digitalisierung und der demografische Wandel. Die Gemeinde müsse dazu Antworten finden. Auch die „ökologische Transformation“ werde noch lange Zeit ein Thema sein.

Beim demografischen Wandel sieht Heun auch die Aufgabe, die demokratischen Institutionen am Leben zu erhalten. Parteien und Vereine benötigten dringend Nachwuchs, hier müsse nun „die nächste Generation ran“. In der Gemeindevertretung sei dies bei der Kommunalwahl 2021 schon gut gelungen, als vier neue Mitglieder unter 30 Jahren in das Gremium eingezogen seien. Das seien immerhin fast ein Fünftel aller Gemeindevertreter. Dieser Wandel müsse sich aber fortsetzen. Um neue Mitarbeiter für die Gremien zu gewinnen, setzt Andreas Heun auf die persönliche Ansprache. Das sei der erfolgversprechendste Weg. Dabei sei es egal, bei welcher politischen Gruppierung man sich engagiere. „Wichtig ist, dass die mitmachen.“ Ein Potenzial dafür biete der Jugendrat, der sehr engagiert sei. Das Gremium sei eine Bereicherung für die politische Landschaft. Thorsten Matzner

DAS WEITERE FESTPROGRAMM

- Sonntag, 26. Juni: Familientag des TSV Reichenbach ab 14 Uhr in und an der Turnhalle im Brandauer Klinger. Die Abteilungen des Vereins werden ein buntes Programm zeigen.

- Samstag, 9. Juli: Teichfest des Angelsportvereins Lautertal am Silbersee in Raidelbach. Es gibt Gegrilltes sowie Kaffee und Kuchen und natürlich geräucherte Forellen. Flammlachs wird über einer Feuerschale zubereitet.

- Sonntag, 10. Juli: Familienfest beim SSV Reichenbach. Ab 10 Uhr Sommerkirche der Lautertaler evangelischen Kirchengemeinden. Ab 12 Uhr Unterhaltung mit „Never 2 late“ und weiteren Musikbeiträgen sowie Spiel und Spaß für groß und klein.

- Samstag, 16. Juli: Sommerfest in Lautern. Der Ortsbeirat feiert mit den Vereinen ab 14 Uhr. Der Feuerwehrverein, die Sängerlust und die Sportgemeinschaft sowie der evangelische Kindergarten bieten Mitmachangebote für Kinder mit Preisen.

- Ab Montag, 1. August: Musical-Projekt der evangelischen Kirchengemeinden in Lautertal. Unter der Leitung von Heide Dahl studieren Kinder und Jugendliche das Stück „Wir feiern ein Fest – Josef: nach Stress – viel Freude“ ein. Eine Band aus Kindern und wenigen Erwachsenen wird die Sänger begleiten. Die Proben sind zwischen dem 1. und dem 6. August in der Lautertalhalle in Elmshausen, die Aufführung dann am Wochenende.

- Samstag, 10. September: Präsentation des Ortsteils Schannenbach mit Einweihung des Geopunktes von 11 bis 16 Uhr am Dorfgemeinschaftshaus. Der Geopunkt informiert über den Steinabbau am Krehberg.

- Samstag, 10. September: Gemeinsamer Liederabend der Lautertaler Chöre auf Einladung der Sängerlust Lautern ab 18 Uhr in der Festhalle in Lautern.

- Sonntag, 25. September: Gemeindefest der Landeskirchlichen Gemeinschaft Lautertal in Reichenbach. Das Fest beginnt um 10.30 Uhr mit einem Gottesdienst mit anschließendem Essen. Am Nachmittag Spiel und Spaß auf dem Gelände am Gemeinschaftshaus.

- Montag, 3. Oktober: Erntedankfest des Verschönerungsvereins Elmshausen am alten Rathaus oder am Striethteich. Es gibt Essen aus der Feldküche sowie Kaffee und Kuchen.

- Samstag, 5. November: Nacht der Lautertaler Kirchen. Die Kirchen in Gadernheim, Beedenkirchen und Reichenbach werden ab Einbruch der Dämmerung für Neugierige geöffnet sein. Es gibt in jeder Kirche Programm, viel zum Schauen und zum Fotografieren sowie Zeit für Gespräche.