„Mit 17 hat man noch Träume“ trällerte Peggy March als 17-Jährige und gewann mit diesem Titel die Deutschen Schlager-Festspiele in Baden-Baden 1965. Welche Träume bewegten Rico Bravo in seinen Teenager-Jahren, in denen der zukünftige Glanz seines Sterns am Bergsträßer Schlagerhimmel noch lange nicht zu erahnen war? „Ich träumte davon, auf der Bühne im Winzerdorf zu stehen“, erklärt der ungekrönte Schlagerkönig der Bergstraße.       

Als Jugendlicher war Rico regelmäßig Besucher der Partyzone rund um den Marktplatz der Stadt, die heute seine Wahlheimat ist. Er kam damals zwar rein ins Winzerdorf, aber nicht rauf auf den Teil der Bühne, der den Künstlern vorbehalten ist. Inzwischen hat sich seine Sehnsucht nach einer der wichtigsten Bühnen im Bensheimer Kulturbetrieb erfüllt. Seit einer Dekade zählt er zu den Headlinern des Events.

Auch bei der diesjährigen Auflage der Weinsause findet zusammen, was zusammengehört: Das Bergsträßer Winzerfest und der Bergsträßer Schlagerkönig. Am Winzerfest-Mittwoch, 7. September, einst traditionell der Tag der Senioren, bringt Rico Bravo gemeinsam mit Onkel Howie und Rosi, seiner Tante aus München, das Winzerdorf mit ZDF-Hitparaden-Songs aus den 1970ern und 1980ern zum Beben. 
       

Rico Bravos weiter Weg auf die Winzerdorf-Bühne-2

Der Weg zur Winzerdorf-Bühne war für Rico Bravo ein weiter. Etliche Kilometer musste er auf seinen Plateauschuhen über die Kirchweihen und Kerwen, die kleinen Geschwister des Winzerfests, der umliegenden Dörfer und Gemeinden zurücklegen, um auf dem Bensheimer Marktplatz anzukommen.

Der Auftritt ist für ihn mit den starken persönlichen Emotionen eines Heimspiels sowie einigen Besonderheiten verbunden. Zu den Specials zählt, dass sich Musiker und Zuhörer in der Winzerdorf-Arena auf Augenhöhe begegnen. Tanzfläche und Bühne liegen auf einer Ebene. Das ist einerseits förderlich für die Stimmung, sorgt andererseits bisweilen für sehr engen Kontakt zwischen Musikern und Besuchern. Mit abnehmendem Tageslicht und zunehmendem Weinpegel führte das in der Vergangenheit zu einigen Begegnungen der unschöneren Art. Vor allem jüngere Rico Bravo-Fans verloren dabei hin und wieder jegliche Berührungsängste, huschten zwischen der Band, den Instrumenten und Lautsprechern hin und her und machten sich in einzelnen Fällen an der Technik zu schaffen. In diesen Situationen musste der König schon ein sehr strenges „Hossa“ loslassen, um die Störenfriede zur Raison zu rufen. „Das war weder schön, noch lustig.“ Eine Wiederholung solcher unerfreulichen Episoden wünscht er sich keinesfalls.

Für das Bacchanal in Bensheim hat Rico Bravo mit seinen Gefährten ein vierstündiges Programm für ein Mensch-ärgere-dich-nicht-Publikum, geeignet für Zuhörer von 0 bis 99 Jahren, zusammengestellt. Diese verbindende Magie seiner Musik, die Menschen aller Generationen zusammenführt, sorgt bei Rico, Howie und Rosi für ein „Schön-ist-es-auf-der-Weltzu-sein-Gefühl“.

Jedoch benötigen die Gigs im Winzerdorf stets etwas Anlauf. Die Show beginnt um 20 Uhr bei Tageslicht. Die Scheu vor dem Parkett legen erfahrungsgemäß die Silver-Surfer am schnellsten ab, die das Tanzvergnügen zu heißen Schlagern mit stilistisch einwandfreiem Discofox eröffnen. Mit Einzug der Dunkelheit steigen alle Generationen in den wilden Reigen ein und der Bretterboden wird zum Engtanzsektor.

Einer von vielen Höhepunkten einer jeder Rico-Performance ist das Stück „Es war Sommer“ von Peter Maffay. Bei der Textzeile „Doch als ein Mann sah ich die Sonne aufgeh’n“ gibt’s kein Halten mehr: Rico zerreißt sein weißes Unterhemd und entblößt seinen Oberkörper. Freilich ist ein freier Blick auf natürlich gewachsenes Brusthaar am Fuße von Sankt Georg keine Selbstverständlichkeit: „Das muss sich das Publikum erst verdienen.“

Für Rico Bravo, Howie und Rosi ist das Konzert nach gut vier Stunden beendet. Um Mitternacht kommt das Roadie-Team des Trios zum Einsatz, das zuvor ab 17 Uhr die Musikanlage aufgebaut hat und an dieser Stelle durch namentliche Erwähnung gewürdigt wird. Nico Würsching, der abgesehen von der Frisur eine verblüffende Ähnlichkeit mit Rico Bravo hat, Kerstin Schäfer-Margraf (aka Tante Rosi) und Aloys Leidner (aka Onkel Howie) und weitere treue Helfer schleppen das Equipment bis in Höhe des Museums der Stadt, wo das Zeug in ein Auto verladen wird. Zu diesem Zeitpunkt hat sich Rico Bravo bereits in die Fantasie-Welt des Schlagers verabschiedet. eh