Norbert Beck ist Macher der Service-Weltmeisterschaft in Kooperation mit regionalen Zeitungsverlagen, gefragter Keynote Speaker und Autor von fünf Büchern zum Thema Service, Verkauf und Resilienz im Kundenkontakt. Seine neuesten Bücher tragen Titel wie „Die 30 Kaufknopftipps“ und „Tippgeber Resilienz im Kundenkontakt“.Der Experte für Emotions-Marketing war einige Jahre Lehrbeauftragter an der Fachhochschule für angewandtes Management und trainiert überwiegend Klein- und mittelständische Unternehmen aus Handel und Dienstleistung, wie man die Kaufknöpfe in den Kundenköpfen drücken und die emotionale Fitness der Verkäufer und Mitarbeiter im Service nachhaltig stärken kann. Bei der Auftaktveranstaltung der Service-Offensive erläuterte der Verkaufsprofi, wie der stationäre Handel in Zeiten der Online-Konkurrenz überleben und weiterhin gute Geschäfte machen kann. Der entscheidende Wettbewerbsvorteil ist dabei der menschliche Faktor, so der diplomierte Wirtschaftsingenieur bei seinem Impulsvortrag im Bürgerhaus. Über die Details sprach der bayerische Service-Profi im Interview mit dem Bergsträßer Anzeiger.  

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Herr Beck, ist der Kunde bereit, für einen erstklassigen Service auch mehr Geld auszugeben?

Norbert Beck: In unseren Untersuchungen haben wir festgestellt, dass Menschen mit einem begrenzten Haushaltsnettoeinkommen vor allem nach dem Preis gehen und der Service eine untergeordnete Rolle spielt. Um diese gruppe geht es hier nicht. Bei den anderen war über die Hälfte der Befragten bereit, für einen Top-Service tiefer in die Tasche zu greifen. Etwa zehn Prozent der Konsumenten in Deutschland würden für ein Produkt sogar mehr als zehn Prozent mehr zahlen, wenn Beratungsqualität und Freundlichkeit stimmen. Kurz: wer es kann, der zahlt für guten Service gerne mehr.

Da besserer Service wenig kostet und gleichzeitig so viel Erfolg verspricht, müsste Freundlichkeit doch das erste Gebot für jeden Unternehmer sein.

Das sollte so sein, wenn man logisch denkt oder sein Geschäft erfolgreich voranbringen möchte. Aber es hapert oftmals bei der Umsetzung. Es gibt in Deutschland noch immer sehr viele Berater, Verkäufer und Mitarbeiter, die sich mit Freundlichkeit und Wertschätzung entweder grundsätzlich schwer tun - diese sind im Service ohnehin fehl am Platz - oder diese Eigenschaften in der Praxis nicht umsetzen können. Bei Letzteren muss man ansetzen.

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„Ich bin bei der Service-Offensive dabei,

weil ich an diese wunderschöne Stadt glaube und sie mein Herzensprojekt ist. Bensheim ist eine liebenswerte, individuelle Stadt mit großem Potenzial. Wie brauchen Mut und entschlossenes gemeinsames Handeln.“

Nina Mahr Mode Winkler GmbH

Wird das Thema in Deutschland grundsätzlich zu stiefmütterlich behandelt?

Wir wissen, dass die fachliche Ausbildung als Basis einer hohen Beratungsqualität in den deutschen Lehrplänen einen großen Stellenwert einnimmt. Die emotionalen Kompetenzen der Verkäufer werden aber offenbar nicht ausreichend oder gar nicht geschult. Wenn ich mir die Ergebnisse unserer über einer halben Million Kundenbefragungen der letzten 17 Jahre ansehe, dann erkennt man, dass Freundlichkeit beim Kunde oberste Priorität genießt. Doch Anspruch und Wirklichkeit klaffen noch immer weit auseinander. Nur wenige Verkäufer sind wirklich zuvorkommend und verbindlich oder hören ihrem Gegenüber zu. Ein großes Dilemma.

Sollten diese emotionalen, empathischen Qualitäten dann nicht ein zentrales Einstellungs-Kriterium sein?

Wenn ich eine Position im Service, im Verkauf oder in der Beratung zu besetzen hätte, dann würde ich klar priorisieren: die emotionale Kompetenz rangiert definitiv vor den fachlichen Qualitäten oder der jeweiligen Schulbildung. Der Personalchef eines großen Sportartikelherstellers hat mir einmal gesagt, dass man beim erforderlichen Know-how immer nachbessern kann. Beim Thema Freundlichkeit geht das nicht. Oder nur sehr schwer.

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„Ich bin bei der Service-Offensive dabei,

weil in Susis Obstladen Beratung, Bedienung der Kunden, Lieferservice für Obstkörbe für Firmen- und Privatkunden selbstverständlich sind und wir regionale und saisonale Gemüse und Exoten aus aller Welt führen, auf dem Wochenmarkt und im Geschäft in Bensheim-Auerbach.“

Susanne Grathenauer Susis Obstladen

Ihre Analysen drehen sich um Menschen und ihr Verhalten. Wie messen Sie die Service-Qualitäten im Verkaufs-Kontext?

Es gibt eine hervorragende Untersuchungsmethode aus den USA, die wir vor 17 Jahren in Deutschland eingeführt haben. Viele große und auch etliche mittelständische Unternehmen haben sie bereits angewandt. Die Kernfrage lautet: Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie das Unternehmen einem Freund oder Bekannten weiterempfehlen werden? Der Kunde beantwortet das auf einer Skala von null bis zehn. Auf dieser Basis lässt sich dann ein sogenannter Kundenbeziehungs-Index errechnen. Das Ergebnis beschreibt sehr gut die Kundenloyalität und Beziehungsqualität im konkreten Fall.

Schauen wir dem Kunden, diesem „unbekannten Wesen“, mal etwas genauer in den Kopf. Sie haben sich intensiv mit Neuromarketing beschäftigt. Eine Marktforschungs- und Marketingdisziplin, die sich die Erkenntnisse der Psychologie und der Neurowissenschaften zunutze macht, um Marketingmaßnahmen zu optimieren. Womit trifft der Mensch seine Kaufentscheidung: Herz oder Hirn? Gefühl oder Vernunft?

Menschen kaufen Emotionen, keine Produkte. Punkt. Das halte ich für die wichtigste Erkenntnis der modernen Hirnforschung in den letzten 20 Jahren. Das Denkhirn, mit dem wir planen, rechnen und auch Preise vergleichen, führt letztlich nur aus, was das Emotionshirn im Unterbewusstsein – das limbische System – wenige Millisekunden zuvor bereits entschieden hat. Bei mehr als 80 Prozent aller Entscheidungen, nicht nur beim Einkaufen, funktioniert das so. Der Verstand agiert erst hinterher, er rechtfertigt dann in der Regel die getroffene Wahl.

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„Ich bin bei der Service-Offensive dabei,

weil ich meine Änderungsschneiderei seit fast 20 Jahren hier in Bensheim betreibe, mich deshalb mit Bensheim und den Bensheimern verbunden fühle, mit meinen Leistungen zur Angebotsvielfalt in unserer Innenstadt beitrage und dies sehr gerne nach außen kommunizieren möchte.“

Neri Ortac Änderungsschneiderei Ortac

Wer mit überzeugenden Produkteigenschaften die menschliche Ratio anspricht, der redet also voll am Kunden vorbei?

Ja, denn das Emotionshirn ist der Chef und an sachlichen Informationen leider nicht interessiert. Viele Verkäufer wissen das nicht. Und deshalb versuchen sie gar nicht erst, dem Kunden durch das Erzeugen von positiven Gefühlen ein emotionales Verkaufserlebnis zu bieten, das ihn anspricht und ihn Wiederkommen lässt.

Wie kann ich diese positiven Emotionen wecken?

Unsere Checks und Kundenbefragungen bieten eindeutige Antworten: Der Kunde möchte zuerst einmal freundlich gegrüßt werden, möglichst garniert mit einem Lächeln. Dann erwartet man eine freundliche Beratung oder Bedienung. Das bedeutet auch, dass der Kunde zu Wort kommt und nicht nur der Verkäufer. In den allermeisten Verkaufsgesprächen redet aber zu über 80 Prozent allein der Verkäufer. Sie hören nicht zu und kennen daher nicht die wahren Wünsche ihrer Kunden. Auch das ist ein Aspekt von Freundlichkeit. Und zum Finale braucht es immer eine herzliche Verabschiedung und ein Dankeschön. Aber wo hört man heute noch ein Danke, wenn man etwas gekauft hat? Das alles sind im Grunde Kleinigkeiten, die jeder sofort umsetzen kann. Aber viele haben das eben nicht im Fokus. Oder sie können es nicht. Oder wollen es nicht, weil ihnen ihr Job nicht gefällt.

Freundlichkeit kostet nichts. Das sollte doch jedes Unternehmen motivieren, zuerst in Service zu investieren.

Nun, ganz umsonst ist es nicht. Es braucht regelmäßiges internes Training, um diese Service-Kultur kontinuierlich zu pflegen. Kleine Geschäfte mit einer eher regionalen Kundschaft können das natürlich auch selbst übernehmen. Einmal in der Woche sollte man sich gemeinsam an einen Tisch setzen und überlegen, wie und an welcher Stelle man emotionale Reize anbieten kann. Auch der kleine Händler in Bensheim kann und sollte dies tun. Um einen hohen Service-Anspruch an seine Mitarbeiter weitergeben zu können, muss man diesen aber zuerst einmal selbst vorleben. Schon daran hapert es oftmals.

Nochmal kurz zum Thema Neuromarketing: Gibt es Branchen oder Genres, bei denen die Service-Qualität als Verkaufsfaktor eine besonders wichtige oder eher untergeordnete Rolle spielt?

Menschen kaufen von Menschen. In unserer Internet-Kultur wird das zu oft vergessen. Wo Menschen zusammenkommen, wo Kunden auf Mitarbeiter treffen, entsteht ein Augenblick der Wahrheit. Der Moment der persönlichen Begegnung ist eine riesige Chance für regionale Händler, um ihre Stärken auszuspielen. Das gilt für alle Branchen. Mit wenigen Ausnahmen: Erwarten Sie bitte keinen Top-Service bei Ihrem Haus- oder Facharzt. Dort ist man darauf scheinbar nicht angewiesen. Das Problem ist nur, dass sie nicht einfach zu einer anderen Hausarztpraxis gehen können, weil es nur noch so wenige gibt. Im Handwerk erkennen wir momentan eine ähnliche Entwicklung. Die Auftragsbücher sind voll, deer Branche geht es glänzend. Da drücke ich beide Augen zu und bin froh, wenn die Leistung stimmt. Auf lange Sicht wird ein schlechter Service aber immer nach hinten losgehen. Der Kunde merkt sich alles. Und er rächt sich.

Ihr Fazit lautet also: Der stationäre Handel überlebt nur mit einem Lächeln auf den Lippen.

Etwa 90 Prozent aller Produkte, die ich in Bensheim kaufen kann, bekomme ich auch über das Internet. Und das sicher nicht zu einem höheren Preis. Warum sollte sich der Kunde also auf den Weg machen und in der Innenstadt lange einen Parkplatz suchen? Doch nur dann, wenn er im Laden einen bestimmten Mehrwert gegenüber dem Online-Handel erwarten kann, wo die Schnittstelle Mensch-Mensch ja nicht einmal existiert. Der Verkäufer muss sich also fragen: was hat der Kunde davon, dass es mich an diesem Standort gibt? Wenn sich der regionale Handel stärker darauf konzentrieren würde, wird er länger überleben und bessere Geschäfte machen.

Welchen Rat haben Sie für Bensheim?

Die Stadt ist keine Ausnahme, der zentrale Ansatz ist überall gleich. Je mehr Händler Freundlichkeit, Vertrauen und Wertschätzung gegenüber dem Kunden nachhaltig praktizieren, desto besser wird sich die gesamte Innenstadt entwickeln. Oftmals investieren Kommunen viel Geld in ihre Infrastruktur, um die Attraktivität der Zentren zu steigern. Das ist sicherlich nicht verkehrt, Aufenthaltsqualität ist ja was Schönes. Untersuchungen an Hochschulen zeigen aber, dass der positive Effekt aber mindestens genauso hoch oder sogar höher wäre, wenn die emotionale Fitness der Menschen vor Ort im Kundenkontakt gestärkt würde. Ich denke, es ist insgesamt mehr Energieaufwand in diese Richtung wünschenswert. Aber das ist halt etwas komplexer und schwieriger als eine neue Bank hinzustellen oder einen Brunnen zu beleuchten. Thomas Tritsch
  

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