Mit der jüngeren Vergangenheit des Bensheimer Marktplatzes ließe sich problemlos ein eigener Jahresrückblick füllen. Manchmal kann man leicht vergessen, was sich alles seit dem Abriss des Hauses am Markt ereignet hat – zumal es bereits Debatten, Streitereien und wenig ausgereifte Konzepte gab, bevor die Bagger aus dem 70er-Jahre-Bau Kleinholz gemacht haben.Für 2021 lässt sich zumindest festhalten: Hauptsache, der Schorschblick ist noch da. Die freie Sicht auf die Stadtkirche Sankt Georg von der Hauptstraße aus wird so schnell auch nicht verschwinden. Einerseits gilt der Schorschblick als unverrückbarer Eckpfeiler einer wie auch immer gearteten Gestaltung, andererseits zünden die Protagonisten beim Marktplatz nicht unbedingt den Turbo, wenn es um wegweisende Entscheidungen geht.

Es sollte doch alles besser werden

Dabei sollte doch in diesem Jahr alles besser werden. Mit Bürgermeisterin Christine Klein wähnte die eine oder andere Interessensgruppe (auch kommunalpolitisch) eine Unterstützerin auf dem Chefsessel im Rathaus, was sich berechtigterweise als Trugschluss erwies. Dafür sollte mit dem Bensheimer Weg, einem im Frühjahr erarbeiteten Konzept zur maximalen Bürgerbeteiligung, Transparenz mit schnellen Handlungsempfehlungen etabliert werden.
 

Keine Lösung am Marktplatz-2
Lang lebe der Schorschblick: Die Stadtkirche Sankt Georg ist von der Hauptstraße aus gut zu sehen. Daran soll sich auch in Zukunft nichts ändern – egal, was auf der Fläche des abgerissenen Hauses am Markt einmal passieren wird. BILD: THOMAS NEU

Kurz zur Erinnerung: Die Stadtverordnetenversammlung hatte im Dezember 2020 beschlossen, dem Anliegen der Bürgerinitiative „Bensheimer Marktplatz besser beleben“ stattzugeben und dadurch sowohl den schon für Januar terminierten Bürgerentscheid verhindert als auch den von der BI geforderten Ideenwettbewerb beschlossen. Allerdings kam es, wie es in Bensheim fast zwangsläufig kommen musste: Das Empfehlungsteam des Bensheimer Wegs, in dem sich Bürger ehrenamtlich engagierten, kam nach langen und intensiven Gesprächen zu dem Entschluss, dass der Ideenwettbewerb aus ihrer Sicht keinen Sinn macht.

Sie schlugen ein Werkstattverfahren vor, das nach Meinung des Teams mehr Transparenz und Bürgernähe verspricht. Bürgermeisterin Klein und Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung fanden diese Vorgehensweise durchaus sympathisch, kündigten aber an, juristische Auskunft einzuholen, ob eine Abkehr vom Stadtverordnetenbeschluss rechtlich möglich ist und wie groß die Gefahr wäre, vor dem Verwaltungsgericht zu landen, sollte man diesen Pfad beschreiten.

Noch bevor die Ergebnisse der Rechtsgelehrten im Rathaus Wochen später eintrudelten, regte sich heftiger Widerstand. Sowohl die Bürgerinitiative als auch weite Teile der kommunalpolitischen Opposition hatten (freundlich formuliert) Einwände, die öffentlich vorgetragen wurden. Kurzum: Es war mal wieder alles beim Alten in Bensheim, ein Eindruck, der verstärkt wurde, als in der November-Stadtverordnetenversammlung die Verwaltungschefin eine der berühmt-berüchtigten Reißleinen zog. Sie teilte mit, dass man nicht mehr auf die Stellungnahmen der Anwälte warten werde, sondern den Ball ins sogenannte Reflexionsteam zurückspielen werde. Dort sitzen die Vertreter der Fraktionen, die den Bensheimer Weg begleiten sollten.

In der Praxis erklärte sie damit den Bensheimer Weg in Bezug auf das Marktplatzprojekt für gescheitert und forderte die Kommunalpolitiker auf, eine Entscheidung zu fällen, wie es mit dem Marktplatzverfahren weitergehen soll. Dass kurz danach die beiden Einordnungen der Juristen vorlagen, änderte nichts mehr – vor allem, weil man aus den Schreiben alles und nichts ableiten kann.

Um die Spannung nicht unnötig in die Höhe zu treiben, sei so viel verraten: Politisch hat sich aktuell nichts getan, was wiederum auch keine Überraschung ist. Stand jetzt gibt es einen gültigen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung aus dem Dezember 2020. Zwölf Monate und einen halbgaren Bensheimer Weg später ist man so klug als wie zuvor. Wenigstens in Bezug auf die Frage, wie man für den oberen Marktplatz einen Wettbewerb umsetzen will, der vergleichbare Resultate bringt und nicht gefühlt zehn Jahre dauert.

Angenehmer Nebenaspekt für alle, die nicht so auf Veränderungen stehen: Der Marktplatz der jüngeren Vergangenheit, der auch der Marktplatz der Gegenwart ist, wird für einige Zeit (genaue Schätzungen wären nicht seriös) der Marktplatz der Zukunft sein. Möglicherweise sind alle in einem Jahr schlauer.

Zahlungen an Café Extrablatt

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass die MEGB die vertraglichen Verbindungen zum Café Extrablatt aufgelöst hat. Die Gastro-Kette wollte im neuen Haus am Markt (das so nicht gebaut werden wird) eine Filiale eröffnen, der Mietvertrag war unterschrieben.

Die städtische Tochtergesellschaft muss als Ausgleich für die entstandenen Kosten einen mittleren fünfstelligen Betrag an Extrablatt überweisen, hinzu kommt eine Entschädigungssumme, die sich in einem ähnlichen Bereich bewegt. Unterm Strich landet man somit bei einer fast sechsstelligen Zahlung an das Unternehmen. Von Dirk Rosenberger

Bündnis aus CDU, SPD und FDP

Kommunalwahl: CDU bleibt vorne, Grüne auf Rang zwei

Bensheim. Alles neu macht der März – zumindest in der Bensheimer Kommunalpolitik. Nach der Kommunalwahl Mitte des Monats formierte sich im Sommer 2021 ein Dreierbündnis aus CDU, SPD und FDP als Koalition in der Stadtverordnetenversammlung, für Bensheim ist die vertraglich vereinbarte Zusammenarbeit dieser drei Parteien eine Premiere.

Bei der Abstimmung im Frühjahr blieb die CDU stärkste Kraft mit 33,07 Prozent der Stimmen. Zwar lag man damit über der psychologisch wichtigen 30-Prozent-Marke, dennoch war es das historisch schlechteste Abschneiden der Christdemokraten in Bensheim. Auf Rang zwei folgten die Grünen mit 24,08 Prozent, gefolgt von den Sozialdemokraten, die keinen Wechsel in ihrem Sinn einleiten konnten und mit 16,18 Prozent unter ihrem Resultat von 2016 blieben.

Deutlicher nach unten ging es für die AfD (von 13,3 auf 4,27 Prozent) und die BfB (von 11,8 auf 6,55 Prozent), während sich die Freien Wähler (6,24 Prozent) wieder über einen offiziellen Fraktionsstatus freuen können. Durchaus für eine Überraschung sorgte die FDP, die es auf rekordverdächtige 9,61 Prozent schaffte. Besser standen die Liberalen, die mit einem sehr jungen Team angetreten waren, bisher nicht in Bensheim da.

Die drei Fraktionen besiegelten im Juni ihr Bündnis, gemeinsam verfügen sie über eine stabile Mehrheit, ihnen „gehören“ 26 der 45 Sitze in der Stadtverordnetenversammlung. Keine Änderung gab es beim Spitzenpersonal. Christine Deppert (CDU) geht in eine weitere Amtszeit als Stadtverordnetenvorsteherin.

Dafür gab es bis zum Herbst bereits zwei Veränderungen an den Fraktionsspitzen. Eva Middleton (SPD) machte für Jürgen Kaltwasser Platz, behielt aber ihr Mandat. Das wiederum musste in der FDP der Fraktionsvorsitzende Stefan Stehle niederlegen, weil ihn die Suche nach Wohnraum aus Bensheim wegzog.

Nicht mehr im Stadtparlament vertreten ist die AfD. Fraktionsvorsitzender und Landtagsabgeordneter Rolf Kahnt trat aus der Partei aus, Matthias Penteker als zweiter Mann im Bunde, verabschiedete sich ebenfalls. Beide bilden nun eine neue Fraktion mit dem Titel „Vernunft und Augenmaß“.

Vorerst keine Auswirkungen hatte die Kommunalwahl auf die hauptamtlichen Stadträte Nicole Rauber-Jung (CDU) und Adil Oyan (Grüne). Wobei für Oyan nach Ende seiner Amtszeit am 30. November 2023 Schluss sein wird. Die zweite Stadtratsstelle soll nach dem Willen der Koalition eingespart werden. Von Dirk Rosenberger