Bensheim. Ein Stadtrat geht – und es kommt kein Nachfolger. In Bensheim besteht der hauptamtliche Magistrat seit Oktober nur noch aus Bürgermeisterin Christine Klein und Erster Stadträtin Nicole Rauber-Jung. Die Stelle des zweiten Stadtrats, die seit 2011 von Adil Oyan eingenommen wurde, wurde von der Koalition aus CDU, SPD und FDP gestrichen – wohlgemerkt zum Ende der Amtszeit des Grünen-Politiker Ende November 2023.

Dass sich Oyan schon etwas mehr als ein Jahr früher verabschiedete, hing mit einer für ihn erfreulichen beruflichen Entwicklung zusammen. Der 56-Jährige hatte sich um den Job des Ersten Kreisbeigeordneten im Kreis Groß-Gerau beworben. Aufgrund der politischen Konstellation haben dort die Grünen das Vorschlagsrecht für die Stelle – und Adil Oyan passte ins Profil. Er wurde – mit längerem Anlauf, weil es einen internen Gegenkandidaten gab – von den Mitgliedern nominiert und am 10. Oktober vom Kreistag gewählt. Einen Tag später brach er die Zelte im Bensheimer Rathaus final ab.

Aus dem Trio wurde ein Duo

Seitdem sind Klein und Rauber-Jung zwar nicht allein im Rathaus, aber zum ersten Mal in der Geschichte der größten Stadt im Kreis wurde aus dem Trio an der Verwaltungsspitze ein Duo. Wie sich das auswirkt, wird sich zeigen. Der Versuch der Bürgermeisterin, den Abgang von Oyan durch neue Stelle abzufangen, wurde kommunalpolitisch bis auf wenige Ausnahmen schon kassiert.

Aus der Hauptsatzung wurde der Stadtratsposten von der Stadtverordnetenversammlung jedenfalls mit großer Mehrheit gestrichen. Was nicht heißt, dass Bensheim bis ans Ende aller Tage ohne Dreier-Kombo auskommen muss. Eine Hauptsatzung lässt sich schließlich schnell wieder ändern, wenn es die politischen Mehrheitsverhältnisse hergeben. Bis zur Kommunalwahl 2026 dürfte sich aber nichts ändern. Und was danach kommt, bewegt sich im Bereich der Kaffeesatzleserei.

Finanzen, Soziales, Ordnung

Mit Adil Oyan verlor das Rathaus nicht nur eine durchaus sympathische, sondern ebenso profilierte Führungskraft. In den mehr als zehn Jahren seines Wirkens konnte er als Finanzdezernent mit seinem Team die angeschlagene Kassenlage stabilisieren. Zudem war der gebürtige Wiesbadener als Umwelt- und Sozialdezernent mit weitreichenden Projekten wie dem Masterplan 100 Prozent Klimaschutz, Radverkehrskonzept, Stadtradeln, Klimaschutztag, der Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED und anderen Vorhaben befasst.

Während der Migrationsbewegung 2015, als Bensheim ein Zeltdorf als Außenstelle der hessischen Erstaufnahmeeinrichtung auf dem Festplatz bekam, erwies er sich als Brückenbauer zwischen den Kulturen. Trotz aller Arbeitsbelastung fand der Star-Wars-Fan immer wieder Zeit für seine Hobbys, zu denen die Bienenzucht und das Tauchen zählen.

Bei seiner Verabschiedung Ende November im Rathaus gab es parteiübergreifend viele lobende Worte für Oyans Engagement in Bensheim, wenngleich seine Amtszeit nicht nur von Höhen gesegnet war und vor allem in der jüngeren Vergangenheit das Verhältnis zu Teilen der Kommunalpolitik überschaubar gut ausgeprägt war. Doch das liegt nun hinter ihm. Neue Herausforderungen in Groß-Gerau ließen aber nicht lange auf sich warten. Dirk Rosenberger