Haben Sie eigentlich wieder einen Hund?“ Diese Frage wird mir immer wieder mal gestellt – und im gleichen Atemzug werde ich auf die Geschichten über meinen Dackel Rüdiger angesprochen. Und das, obwohl Rüdiger jetzt schon über sechs Jahre tot ist. Er hat wohl einige Fans gehabt! Nein, es wird keinen Nachfolger für unseren Rauhaardackel geben, der ja ohnehin einmalig für uns war. Jetzt, wo alle Kinder aus dem Haus sind und Rüdiger hoffentlich im Hundehimmel ist, sind meine Frau und ich das, was wir viele Jahre nicht waren: völlig unabhängig.      

Ich weiß natürlich nicht, was passieren würde, wenn uns jemand einen kleinen Rauhaardackel-Welpen in die Hände drücken würde. Ob wir dann Nein sagen könnten? Es wäre sicher ein Grund, sich wieder mehr zu bewegen. Früher gab es kein schlechtes Wetter, keine schlechte Uhrzeit, es gab nur: Der Hund muss raus. Die zurückliegenden zwei Corona-Jahre haben mir einige Pfunde mehr beschert, denn Kuchen und Schokolade tun doppelt gut, wenn das Wetter grau ist und die (politische) Weltlage auch nicht gerade rosig. Zwischen Erderwärmung, Virusmutationen und Donald Trump musste man sich kleine Inseln der Glückseligkeit suchen. Hatten wir noch im ersten Corona-Lockdown unglaublich viele Spaziergänge unternommen und Wanderungen und Wege entdeckt, die wir – obwohl wir schon lange an der Bergstraße leben – noch nicht kannten, so haben wir es in den letzten Monaten, salopp gesagt, „schleifen lassen“. 
      

Guter Vorsatz für das Jahr 2022: Öfters an der die frische Luft, wandern und spazieren gehen und ausgiebig die Natur genießen. Achtung, Goldwaagenalarm: Ich glaube, diesen Satz muss ich umformulieren und das Wort spazieren durch flanieren ersetzen. Wenn ich etwas nicht tue in den letzten Monaten, dann ist es, nach 17 Uhr spazieren zu gehen.

Vor allem als Bewohner der Bensheimer Innenstadt niemals montags! 
      

Bild: v.poth - stock.adobe.com

Ja, es ist eine Zeit, in der jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird und man aufpassen muss, nicht falsch interpretiert zu werden. Aber auch Stellung zu beziehen, wenn nötig. Erst kürzlich habe ich ein Fastnachtsbild aus den 1960er Jahren im Internet auf einer Seite meiner Heimatstadt Gießen gepostet. Nicht ahnend, was für ein Shitstorm über mich hereinbrechen würde, da auf dem alten Bild meine Schwester ein Indianer-Kostüm trägt. Für mich war es eine ganz unschuldige Kindheitserinnerung: Meine Schwester als Indianerin, mein Bruder als Pirat und der kleine Thomas als Cowboy verkleidet, am Straßenrand stehend, beim Fastnachtsumzug in Gießen im Jahre 1966. Keineswegs war das Bild als Diskriminierung der First Nations Amerikas gedacht. Ein politisch sensiblerer Umgang mit den Gefühlen der Ureinwohner Amerikas wurde von einer Dame eingefordert, die das Kostüm als Stereotyp einer ethnischen Minderheit verurteilte. Da war ich aber froh, dass ich mich damals als Cowboy verkleidet hatte. Ups, aber ich hatte einen Colt im Holster meines Gürtels. Was haben sich meine Eltern damals nur gedacht, mich mit einer Waffe, wenn es auch nur ein Spielzeug war, auf die Straße zu schicken.

Aber ich kann mich an den mahnenden Satz meines Vaters erinnern, „niemals eine Waffe auf Menschen zu richten, auch wenn es nur Platzpatronen sind“. Natürlich habe ich mich nicht daran gehalten, denn schließlich galt es doch, sich beim Kostümball zu verteidigen! War das ein Lärm und ein Gestank, wenn ich mit meinen Freunden die Zündplättchen und Platzpatronen abfeuerte. Später wurde ich angegriffen, denn irgendwann löste Winnetou den Cowboy in mir ab, und ich ging mit Tomahawk und einem Nachbau der legendären Silberbüchse zu den Fastnachts-Veranstaltungen.

Unser Fotograf Thomas Neu macht sich Gedanken über die (politische) Weltlage, über Goldwaagenalarm und eine Fastnachtsveranstaltung in Gießen im Jahr 1966.

Von Thomas Neu

Nur leider existiert davon kein Fotobeweis, sie müssen es mir also einfach glauben. Was heute vielen Menschen ja schwerfällt. Überall werden Verschwörungen vermutet und manche Menschen glauben wirklich, die Erde ist eine Scheibe und der Covid-19-Impfstoff lässt uns magnetisch werden. Schön wäre es, dann könnte mein Objektiv nicht aus der Hand fallen.

Da ich Optimist und aufgefrischt ins neue Jahr gestartet bin, will ich mit einem Zitat von Winston Churchill schließen. Er hat es zwar anlässlich der gewonnen Schlacht bei El Alamein im Jahr 1941 gesagt, aber es passt auch in unser Leben in Zeiten der Pandemie: „Das ist nicht das Ende. Es ist nicht einmal der Anfang vom Ende. Aber es ist vielleicht das Ende vom Anfang.“

Bleiben Sie gesund!