Die Handball-Bundesliga der Frauen (HBF) steht in den kommenden Jahren vor einigen Herausforderungen. Deutscher Handball-Bund (DHB) und HBF haben den Vereinen einen Maßnahmenkatalog zur Professionalisierung vorgelegt. Mit Flames-Geschäftsführer Michael Geil (63) und dem für die Finanzen zuständigen Jörg Hirte (60) sprachen wir über die Umsetzung der Vorgaben, die Zurückgewinnung der Zuschauer, die sportlichen Aussichten sowie mögliche Auswirkungen der Energiekrise.
Die finanziellen Folgen der Corona-Krise haben die Flames abfedern können, rechnen Sie durch die steigenden Energiekosten mit zusätzlichen Belastungen?
Jörg Hirte: Wir werden mit der Stadt Gespräche führen, die voraussichtlich auch das Thema „Heizung“ bei der Hallennutzung beinhalten, sowohl für den Trainings- als auch Spielbetrieb. Jedenfalls haben wir Verständnis für jede Maßnahme der Stadt zur Energieeinsparung, so dass wir unser Publikum separat informieren werden für den Fall, dass die Temperatur bei den Spielen abgesenkt wird. Wir hoffen natürlich, dass Mehrkosten von der Stadt getragen werden und nicht unseren Etat belasten, würden aber auch unseren finanziellen Beitrag leisten, sollte die Stadt Bensheim uns hier beteiligen wollen.
Die Corona-Pandemie hatte unter anderem erhebliche Auswirkungen auf die Zuschauerzahlen, die Weststadthalle war seit zwei Jahren nicht ausverkauft. Sehnen Sie sich nach einer voll besetzten „Weststadthölle“?
Michael Geil: Es war wichtig und richtig den Spielbetrieb der Liga auch mit Geisterspielen oder mit limitierter Zuschauerzahl am Leben zu halten und damit das Interesse am Bundesligahandball zu erhalten. Wir haben das mit vielen Online-Angeboten unterstützt. Aber natürlich sind Zuschauer das Salz in der Suppe und ein Emotionsbeschleuniger für das Team – die Leidenschaft auf dem Spielfeld wird durch die Leidenschaft der Fans auf der Tribüne verstärkt.
Der Zuschauerschnitt der Flames ist coronabedingt von 1200 auf knapp 400 Zuschauer pro Heimspiel gesunken. Wie lässt sich das Publikum zurückgewinnen?
Geil: Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Zuschauerzahl gegenüber der Vorsaison zu verdoppeln und uns wieder an eine vierstellige Zahl heranzutasten. In Zusammenarbeit mit dem Stadtmarketing Bensheim haben wir unsere Präsenz in der Stadt deutlich gesteigert, um auch neue Zuschauer zu interessieren. Wir wollen die Heimspiele noch stärker zu einem Event werden lassen – mit DJ, Cheerleadern und Promos. Dazu kommen attraktive Gruppenangebote für Vereine und Schulen. Wir haben unser Online-Ticketportal mit unserem Partner Leomedia überarbeitet und vereinfacht und die gesamte Homepage neu gestaltet. Zusammen mit dem neuen Logo ergibt das einen komplett neuen Markenauftritt.
Mit welchem Schnitt wären sie zufrieden, sollte die Saison ohne Zuschauerbeschränkungen durchlaufen können?
Hirte: 800 Zuschauer im Schnitt wäre nicht nur finanziell, sondern auch von der Stimmung her eine große Unterstützung für uns und sollte für die kommende Saison bei einem normalen Verlauf unser Ziel sein.
Welche Rolle spielen die Zuschauereinnahmen im Etat für die Saison ’22/23?
Hirte: Der Anteil der Zuschauereinnahmen und Bewirtung liegen bei etwa 15 Prozent unseres Gesamtetats und spielen hier schon eine wesentliche Rolle.
Im Mai haben DHB und HBF ihren Grundlagenvertrag bis 2027 mit dem Ziel erneuert, den Frauenhandball zu stärken und die Professionalisierung auf allen Ebenen voranzutreiben. Wie beurteilt man bei den Flames diese Vereinbarung?
Geil: Der DHB hat der HBF schon ein wenig die Pistole auf die Brust gesetzt. Um den Spielbetrieb und die Vermarktung der ersten und zweiten Bundesliga weiterhin eigenverantwortlich durchführen und dem Frauenhandball damit eine eigene Plattform bieten zu können, war die Umsetzung des DHB Strategiekonzeptes zur Professionalisierung des Frauenhandballs eine „conditio sine qua non“. Viele Themen sind sinnvoll, müssen aber vor dem Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit Augenmaß umgesetzt werden. Es kann nicht sein, dass alle Mehrkosten bei den Vereinen hängen bleiben und kein Rückfluss aus der Gesamtvermarktung der Liga kommt.
Welche Punkte aus diesem Konzept bereiten Ihnen Kopfzerbrechen: Der Mindestetat von 500 000 Euro, die erforderliche Arena mit zwei Längstribünen oder der spezielle Handballboden, der für jedes Heimspiel neu verlegt werden muss?
Geil: Den Mindestetat von 500 000 Euro erfüllen wir dank der Treue unserer langjährigen Sponsoren und Partner bereits heute – und es kommen immer wieder neue hinzu. Wir sind mit aktuell 75 Sponsoren und Partnern sehr solide aufgestellt. Mittelfristiges Ziel ist aber eine weitere Steigerung des Etats um 20 bis 25 Prozent. Zum Thema Handballboden sind wir in fortgeschrittenen Gesprächen mit der Stadt und einem Sponsor für dessen Finanzierung. Das bedeutet natürlich trotzdem einen zeitlichen und personellen Mehraufwand für Auf- und Abbau. Kopfzerbrechen bereitet die zweite Längstribüne – auch hier arbeiten wir an Lösungen.
Professionalisiert werden sollen auch Geschäftsführung und Marketing der Clubs, wie weit sind die Flames hier?
Geil: Das Team hinter dem Team ist mit einem Mix aus angestellten Mitarbeitern und ehrenamtlicher Tätigkeit vernünftig aufgestellt. Hierdurch werden die Bereiche Organisation, Administration, Finanzen, Marketing und Sponsoring sowie Öffentlichkeitsarbeit solide abgedeckt. Aber auch hier müssen und werden wir uns weiterentwickeln.
Die 1. Liga soll ab ’24/25 auf zwölf Teams reduziert und Playoff-Spiele durchgeführt werden. Aus Ihrer Sicht ein richtiger Schritt, um die Attraktivität des Wettbewerbs zu steigern?
Hirte: Ich halte wenig von dieser Idee. Wir hatten dies bereits bis zur Saison 2013/14 und ich konnte damals keine wesentliche Steigerung der Attraktivität feststellen. Hinzu kommt, dass der Modus für die Play-off-Spiele noch völlig offen ist und kontrovers diskutiert wird. Es wird nach meiner Meinung auch schwieriger für Mannschaften aus der 2. Liga werden, sich nach dem Aufstieg in die 1. Liga dort zu halten. Des Weiteren wird die Bereitschaft, jüngere Talente einzusetzen und weiterzuentwickeln wegen des stärkeren Wettbewerbsdrucks sinken.
Die Junior-Flames haben den Aufstieg in die 3. Liga geschafft, wie können Bundesliga- und A-Jugend-Bundesliga-Mannschaft zukünftig vom Drittliga-Team profitieren?
Geil: Der lang ersehnte Aufstieg der Junior-Flames in die 3. Liga ist ein wichtiger Meilenstein in unserem Vier-Säulen-Konzept „Bundesligateam – Junior-Flames – Jugend-Bundesliga – Akademie“. Das befruchtet sich gegenseitig im Trainings- und Spielbetrieb. Wir bekommen für die Akademie Spielerinnen mit größerem Potenzial; viele Spielerinnen der Jugend-Bundesliga sind auch für die Junior-Flames im Einsatz; junge Spielerinnen mit weniger Einsatzzeit im Bundesligateam sind Führungsspielerinnen bei den Junior-Flames und es können verletzungsbedingte Lücken im Erstligateam schnell geschlossen werden.
Was erwarten Sie sportlich in dieser Saison von der Flames-Mannschaft in der Bundesliga?
Geil und Hirte: Einen einstelligen Tabellenplatz, unter optimalen Bedingungen die obere Tabellenhälfte. Die jungen Spielerinnen sollen Spielanteile bekommen und sich etablieren. Und ganz wichtig, dass die Spielerinnen von Verletzungen verschont bleiben.
Im Endklassement landen die Flames auf Position. . . .
Geil: . . . sieben bis neun.
Hirte: . . . sieben. eh