Erster Babyboom im Geburtshaus

Die Einrichtung im Geburtshaus vermittelt eine heimelige Wohlfühl-Atmosphäre. Bild: Thomas Zelinger
Es war eine Traumgeburt“, schwärmen Aysha und Farukh Javeed, deren kleine Tochter Maya am 18. Mai im Geburtshaus Bergstraße zur Welt kam. Das erste Kind der Bensheimer Familie wurde im Krankenhaus geboren. Für das zweite wünschten sie sich eine Geburt ohne Intervention, wie die jungen Eltern erzählen. Deshalb entschieden sie sich für das Geburtshaus in der Fehlheimer Straße 62. Abends um 22 Uhr kamen die Wehen, nach telefonischem Kontakt mit dem Hebammenteam trafen beide kurz nach 1 Uhr nachts im Geburtshaus ein – und um 2.49 Uhr war Maya da. Am nächsten Morgen gegen 9 Uhr konnten Mutter, Vater und Kind dann nach Hause gehen. Jetzt macht Aysha Javeed noch einen Rückbildungskurs bei den Hebammen im Geburtshaus – und freut sich mit ihrem Mann Farukh über ein total entspanntes Baby.
Für die Gebärenden stehen drei Räume zur Verfügung, die man atmosphärisch ungefähr den Elementen Luft, Wasser und Erde zuordnen könnte. Im „Wasser-Raum“ dominiert natürlich die Badewanne, in den beiden anderen machen die luftige oder von erdigen Tönen bestimmte Farbgebung und die individuellen Möbel aus einer Darmstädter Waldorf-Schreinerei den Charakter aus. Alles wirkt dort eher wie ein privates Wohn-Schlafzimmer – auch weil eventuell nötige Hilfsmittel für die Geburt diskret in Schränken aufbewahrt werden. Gedimmtes Licht und tagsüber leicht zu verdunkelnde Räume tragen zur Entspannung der Gebärenden bei.

Denn ohne Spenden – in Form von Geld oder als Sachspende – geht nichts. Das Geburtshaus ist nämlich keine von der Öffentlichkeit und ihren Institutionen finanzierte Einrichtung, sondern das Baby eines Trägervereins, der sich im Juni 2020 gegründet hat. Zwei Motivationsstränge kamen hier zusammen: Mehrere engagierte Bensheimer um Doris Walter und den damaligen Bürgermeister Rolf Richter wollten sich nicht einfach so damit abfinden, dass nach der Schließung der Geburtshilfeabteilung des Heilig-Geist-Hospitals in der Stadt keine Kinder mehr geboren werden sollten. Und auf der anderen Seite gab es Hebammen, die mit der Situation an den Krankenhäusern unzufrieden waren und von einem Ort träumten, „wo sich die Frauen geschützt der Geburt hingeben können“, erklärt Birgit Heidkamp, Hebamme, Vereinsmitglied und Büroleiterin des Geburtshauses. Sie sagt, eine entspannte Geburt bringe entspannte Kinder hervor.
Für Entspannung sorgt auch die personelle Situation: Im Geburtshaus sind bei der Geburt immer zwei Hebammen dabei. Und die können sich Zeit nehmen und stehen nicht unter dem Druck, etwa mehrere parallele Geburten betreuen zu müssen, wie es im Krankenhaus öfter vorkommt. Die Hebammen verstehen sich als Unterstützerinnen der Frauen. Sie sind da, um Sicherheit zu geben, und lassen die Frauen das machen, was sie von sich aus für richtig halten. Die Hebammen greifen erst dann ein, wenn die Gebärenden allein nicht mehr zurechtkommen. „Bewegung ist bei der Geburt wichtig“, beobachten die Hebammen, und so können die Frauen frei wählen, ob sie sich im Vierfüßlerstand wohler fühlen oder über eine von der Decke baumelnde Hängematte gelehnt oder in irgendeiner anderen Stellung.
Was man sofort spürt, wenn man das Geburtshaus betritt: Hier machen die Menschen nicht einfach nur ihren Job, sondern sie sind mit ganzer Seele bei der Sache, bis hin zu Details wie dem Logo des Geburtshauses, das von einer der Hebammen selbst gestaltet wurde. Es zeigt im Schriftzug die Silhouette einer schwangeren Frau mit ihrem Baby im Bauch und die stilisierte Kette der Bergstraße, ein Hinweis auch auf den regionalen Aspekt der Einrichtung.
Die Idee zum Geburtshaus gab es schon 2019, seit bekannt wurde, dass die Geburtshilfe am Bensheimer Krankenhaus aufgegeben wird. Ein passendes Haus wurde im April 2020 gefunden, dann gründete sich der Trägerverein. Im Sommer begannen die umfangreichen Bauarbeiten. Die evangelische Kirche als Vermieterin des Hauses übernahm die Grundsanierung in Höhe von rund 140000 Euro. Für Innenausbau und -ausstattung musste der Trägerverein etwa 100000 Euro aufbringen. Ein finanzielles Risiko, das auf den Schultern einzelner Vereinsmitglieder ruht, die damit eine private Verpflichtung im Dienst der guten Sache und im Glauben an den Erfolg des Modells eingegangen sind.
KONTAKT
Fehlheimer Straße 62, Telefon 06251/9446122,
E-Mail: hebammeninfo@geburtshaus-bergstrasse.de
www.geburtshaus-bergstrasse.de
Angebote im Geburtshaus
Neben der Geburtshilfe im engeren Sinn, den Vorsorgeuntersuchungen und den Geburtsvorbereitungs- sowie Rückbildungskursen gibt es im Geburtshaus mehrere Angebote auch für Frauen, die nicht dort entbunden haben. Eine der Hebammen ist ausgebildete Stillspezialistin und hilft im Rahmen einer Stillsprechstunde Frauen, die Probleme mit dem Stillen ihres Babys haben. Dazu gibt es eine Wochenbettambulanz. Hier können Frauen kommen, die keine Hebamme gefunden haben, die sie zu Hause betreut.
Außerdem gibt es Akupunktur für Schwangere, etwa gegen Übelkeit oder Ödeme in den Beinen – und vor allem für die Vorbereitung der Geburt in den letzten vier Wochen vor dem Geburtstermin.
Trägerverein
„Es ist nicht egal, wie wir geboren werden“ – nach dem Zitat des bekannten französischen Arztes und Geburtshelfers Michel Odent kann jeder etwas für die kommende Generation tun. Der Trägerverein Geburtshaus Bergstraße freut sich über weitere Mitglieder.
Für einen Mindestbeitrag von 24 Euro pro Jahr kann man dabei sein. Die geplante Öffentlichkeitsarbeit fiel der Pandemie zum Opfer, so dass der Verein im Moment noch so etwas wie ein „Geheimtipp“ ist. Informationen und Beitrittsformulare gibt es im Internet unter www.geburtshaus-bergstrasse.de.
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