Nach zwei Spielzeiten mit Corona-Regeln für Mannschaften und Zuschauer startet die Handball-Bundesliga der Frauen an diesem Wochenende – vorerst – ohne Beschränkungen in die Saison 2022/23. Zu den weiterhin bestehenden Sorgen um die Pandemie kommt allerdings die Energie-Krise, die sich eventuell auch auf den Trainings- und Spielbetrieb der Bundesliga-Clubs auswirken könnte.          

Für die HSG Bensheim/Auerbach beginnt die sechste Runde in Folge im Oberhaus am Samstag (10. September) mit dem Heimspiel gegen den TSV Bayer Leverkusen – ein Duell zweier Dinos im deutschen Frauen-Handball. Bayer Leverkusen gehört der Beletage als einzige Mannschaft ununterbrochen seit der Gründung 1975 an. Die HSG und ihr Vorläufer TSV Auerbach sind ebenfalls seit 1975 durchgängig in 1. oder 2. Liga unterwegs. In den ersten drei Bundesliga-Runden trafen die beiden Dauerbrenner jeweils im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaften aufeinander. Zweimal setzte sich Leverkusen durch, 1977 zog die TSV Auerbach nach zwei engen Partien ins Finale ein.

Nur geringe personelle Veränderungen

45 Jahre später kündigt sich zum Anwurf der 47. Bundesliga-Saison wieder ein Duell auf Augenhöhe an. Der deutsche Rekord-Meister aus Leverkusen (acht Titel) zählt aktuell nicht zu den Topclubs. Im Abschlussklassement ’21/22 lagen die Werkselfen einen Rang vor der Mannschaft aus der Weststadthalle. Die HSG Bensheim/Auerbach landete nach zuvor drei einstelligen Platzierungen in Serie (9., 8., 9.) auf Rang zehn. In diesem Spieljahr nehmen die Bensheimerinnen im 14er-Feld wieder eine Position unter den ersten Zehn ins Visier. „Unser Ziel ist ein einstelliger Tabellenplatz“, sagt Flames-Trainerin Heike Ahlgrimm. Mit gerade einmal drei Zugängen und drei Abgängen war die personelle Fluktuation bei der HSG in diesem Jahr sehr überschaubar. Somit kann Heike Ahlgrimm (47) auf weitgehend eingespielte Strukturen zurückgreifen.

In den zurückliegenden fünf Jahren haben sich die Flames ein Standing erarbeitet, das hochveranlagte Spielerinnen von der Liga-Konkurrenz an die Bergstraße lockt. Diese Talente wollen bei der Handballspielgemeinschaft den nächsten Schritt in ihrer sportlichen Entwicklung gehen. In diesem Sommer kamen mit Lilli Holste (21, Bayer Leverkusen), Lucie-Marie Kretzschmar (22, Sport-Union Neckarsulm) und Ndidi-Silvia Agwunedu (22, HSG Blomberg-Lippe) drei Hochbegabte nach Bensheim. 
    

Flames bauen auf ihre Fans-2
Sarah van Gulik will auch in der neuen Saison wieder mit ihrem Team für die Fans in der Weststadthalle „brennen“. BILD: NEU

Mischung aus Talenten und etablierten Kräften

Mit Sarah van Gulik (32), Torfrau Helen van Beurden (31), Myrthe Schoenaker (30), Dionne Visser (26) und Lisa Friedberger (25), die dienstälteste Flames-Spielerin im Kader, verfügen die Flames über ein erfahrenes Quintett, das das Team durch die Saison führen soll. Nach einer Knie-Operation im April wird Linkshänderin Sarah Dekker die komplette Runde verpassen. Kreisspielerin Isabell Hurst, im Frühjahr für die DHB-Auswahl nominiert, wird wegen einer Schulterverletzung noch einige Wochen ausfallen. Zurück auf der Platte sind nach langwierigen Verletzungen Leonie Kockel und Alicia Soffel.

Wie fast schon üblich, erfolgt in der Hinrunde eine Unterbrechung des Liga-Spielbetriebs wegen eines internationalen Großereignisses. In diesem Jahr werden die Europameisterschaften vom 4. bis 20. November 2022 in Slowenien, Nordmazedonien und Montenegro ausgetragen. Wegen der Fußball-WM in Katar (20. November bis 18. Dezember) ist die EHF von ihrem traditionellen Dezember-Termin auf den November ausgewichen.

Entsprechend unrhythmisch ist der Einstieg in die Saison. Bis zur EM-Pause Ende Oktober stehen für die Flames fünf Liga-Spiele und eine Runde im DHB-Pokal auf dem Programm. Fortgesetzt wird die Meisterschaft Ende November. „Es ist etwas anders als sonst, mal schauen wie die Vereine damit klarkommen“, sagt Heike Ahlgrimm zum neuen Rahmenterminplan.

Gespannt sein darf man auch darauf, wie viele Spielerinnen aus dem Kader der Flames bei der Europameisterschaft für ihre Nationalteams am Ball sein werden. Einige heiße Eisen hat Bensheim/Auerbach dafür im Feuer. Aber die Abstellung von Nationalspielerinnen würde gleichzeitig auch die Trainingsarbeit im Verein erschweren.

Zurück zu alter Heimstärke in der Weststadthalle

Beim Weg nach oben in der Tabelle hoffen die Flames auf die Unterstützung zahlreicher Fans in der Weststadthalle. Durch die Beschränkungen der vergangenen beiden Jahre sank der Schnitt des vormaligen Publikum-Krösus’ zuletzt deutlich. Finanziell verfügen die Flames trotz dieser Einbußen dank der Treue bewährter und der Gewinnung neuer Sponsoren über ein solides Fundament, erklärt Michael Geil.

Der Flames-Geschäftsführer sieht die Voraussetzungen gegeben, um in den nächsten fünf Jahren 1. Liga spielen und Imageträger für Bensheim sein zu können. Ein Kernprojekt der nächsten Monate wird laut Geil die Zurück- und Neugewinnung von Zuschauern sein. Infrastrukturell hat die HSG Bensheim/Auerbach im Zuge des laufenden Professionalisierungsprozesses der Liga in den nächsten zwei Jahren einige Herausforderungen zu meistern. Eric Horn 
     

Die Flames

- Zugänge: Ndidi-Silvia Agwunedu (HSG Blomberg), Lucie-Marie Kretzschmar (SU Neckarsulm), Lilli Matilda Holste (Bayer Leverkusen).

- Abgänge: Ines Ivancok (Mosonmagyarovar/Ungarn), Saskia Fackel, Christin Kühlborn (beide FSV Mainz 05).

- Kader; Tor: Vanessa Fehr, Helen van Beurden. – Rückraum: Lisa Friedberger, Sarah van Gulik, Lucie-Marie Kretzschmar, Myrthe Schoenaker, Alicia Soffel, Lilli Matilda Holste, Leonie Kockel. – Außen: Ndidi-Silvia Agwunedu, Elisa Stuttfeld, Lotta Heider, Sarah Johanna Dekker. – Kreis: Isabell Hurst, Dionne Visser.

- Trainerin: Heike Ahlgrimm.

- Co-Trainerin: Ilka Fickinger.

Neue Runde, neue Regeln

- Der Handball-Weltverband IHF hat zur Saison 2022/23 Änderrungen am Regelwerk vorgenommen, die zum 1. Juli in Kraft getreten sind:

- Die erste Neuerung reduziert die Anzahl der Zuspiele nach angezeigtem Zeitspiel auf vier Pässe. Bisher durfte das angreifende Team nach dem erfolgten Vorwarnzeichen durch die Schiedsrichter (gehobener Arm) sechs Pässe bis zum Torwurf spielen. Ab sofort pfeifen die Unparteiischen in diesen Situation nach dem fünften Pass ab und die verteidigende Mannschaft kommt in Ballbesitz.

- Die zweite Änderung betrifft den Anwurf. Bei der Ausführung musste der ausführende Spieler bislang mit einem Fuß auf der Mittellinie stehen. Nun erfolgt der Anwurf aus der Bewegung heraus aus dem neuen Anwurfkreis mit einem Durchmesser von vier Metern, der sich in der Mitte der Mittellinie befindet. Die Schiedsrichter können das Spiel durch einen Pfiff wieder freigeben, sobald der Ball innerhalb der Anwurfzone ist und der Anwerfer mindestens einen Fuß innerhalb dieses Kreises hat.

- Flames-Trainerin Heike Ahlgrimm erwartet durch den größeren Anwurfkreis eine höhere Geschwindigkeit bei den „Schnelle-Mitte“-Situationen. Einfluss auf das Spiel sieht sie zudem durch die Passregelung bei Passivspiel. „Wir werden sehen, wie die neuen Regeln in der Praxis umgesetzt werden.“

- Modifiziert wurde überdies das Regelwerk zum Kopftreffer. Wird der Torhüter aus einer freien Spiel- oder Wurfsituation heraus am Kopf getroffen, kann der Werfer nun mit einer Zwei-Minuten-Strafe sanktioniert werden. Kopftreffer gegen den sich nicht bewegenden Torwart oder gegen den Kopf eines Abwehrspielers beim direkten Freiwurf/Siebenmeter wurden bereits zuvor mit einer Roten Karte von den Unparteiischen geahndet. eh