Lorsch. Viele Unterlagen aus der Geschichte des Gewerbevereins sind im Laufe der Zeit verloren gegangen. Auch die Chronik ist nicht mehr greifbar – und selbst im Stadtarchiv gibt es nur wenige Dokumente dazu.Vorhanden ist zum Beispiel ein Antrag des Gewerbevereins aus dem Jahr 1920, in dem es um den Ausbau der Schulsäle geht. Auch im „Lorscher Anzeiger“ von 1897, dem Gründungsjahr des Vereins, kann man viel über Lorsch lesen. Gerichtsberichte informieren etwa über Wirtshaus-Schlägereien. Auch an Kerwe ging es offenbar nicht immer gesittet zu, wie der Fall eines Beschuldigten zeigt, der einem Mann das Ohrläppchen abbiss und es verschluckte. Auch über mehrere Vereine ist etwas zu erfahren. Informationen vom Kriegerverein findet man etwa, der im Gasthaus Im weißen Kreuz den 100. Geburtstag des verstorbenen Kaisers Wilhelm I würdigt und zum Preisschießen einlädt, sowie Inserate vom Gesangverein Liederkranz und Aufrufe, der Feuerwehr beizutreten. Der Gewerbeverein allerdings machte damals offenbar nur wenig auf sich aufmerksam.

Zum Glück hat Peter Helwig, von 1993 bis 2007 Vorsitzender des Gewerbevereins und seit 2017 zum Ehrenvorsitzenden ernannt, sich mit Blick auf das Jubiläum an die Arbeit gemacht und einige wichtige Daten wieder zusammengetragen.

Bis Mitte des 18. Jahrhunderts war das Lorscher Handwerk an die Zunft in Bensheim angeschlossen, erinnert er. Im Jahr 1747 wurde Lorsch Sitz der Zünfte mit eigener Zunftordnung für Kurmainzer Orte im Ried. Eltern eines Lehrlings mussten an den Zunftmeister natürlich Lehrgeld zahlen. Nach Einführung der Gewerbefreiheit dauerte es in Lorsch noch etwas mehr als 30 Jahre bis ein Gewerbeverein aus der Taufe gehoben wurde.

Große Ausstellung für den Wiederaufbau-2
Ehrenvorsitzender Peter Helwig (M.) stellt mit Sohn Simon wichtige Vereinsdaten zusammen. Unser Archivbild zeigt Peter Helwig mit dem früheren Vorsitzenden Bernhard Dorn und Gisela Helwig. ARCHIVBILD: NEU

Der Lorscher Bauunternehmer Franz Brunnengräber ist dabei derzeit das einzige namentlich bekannte Gründungsmitglied. Sein Name ist festgehalten, weil er beim Landesverbandstag der hessischen Gewerbevereine 1964 als letztes noch lebendes Gründungsmitglied geehrt wurde.

Sonntags zum Unterricht

In den 1920er Jahren hat Architekt Dexler im Alten Rathaus an Sonntagvormittagen Unterricht für die Lehrlinge erteilt. Malermeister Tobias Brunnengräber, der auch Gesellenprüfungen abnahm, führte den Gewerbeverein bis ins Jahr 1933. In der NS-Zeit musste der Verein, wie viele andere auch, aufgelöst werden. Der Neubeginn wurde 1947 organisiert, bei Peter Straub im Gasthaus Lamm. Bürgermeister Georg Werner und Architekt Dexler waren die Initiatoren, Konrad Elbert, Johannes Rothenheber, Johannes Henkes, Bernhard Hönig und Jakob Grimm beteiligten sich.

Wenige Jahre nach Kriegsende, 1949, stellte der Gewerbeverein eine große Ausstellung auf die Beine, an der Karolinger Schule, heute Giebauer Haus. Die mehrtägige Schau im Juni zum Jubiläum des Vereins Germania war wohl ein Erfolg. Das Vorhaben, dass „Handwerks-, Industrie-, Gewerbe- und Handelsbetriebe ihr Wollen und Können unter Beweis stellen und ihre Produkte zum Verkauf anbieten“, gelang.

Beim Wiederaufbau helfen

Man habe aber „nicht den Ehrgeiz, Industriemessen zu kopieren“, dämpfte Bürgermeister Georg Werner zu hohe Erwartungen. Erklärtes Anliegen war es vielmehr „mitzuhelfen am Wiederaufbau unseres Vaterlandes“. sch