Ein bisschen Nervosität ist zu spüren, immerhin ist man zu Gast bei einem König. Schlagerkönig zwar nur, aber König ist König. Und dann auch noch von der Bergstraße. Ist das aufregend! Man weiß ja nie, was einen erwartet bei so einer Einladung, diese Schlager-Fuzzies können manchmal ziemlich durchgeknallt sein. Sieben Fässer Wein oder doch eher Karamba, Karacho, ein Whisky! Was macht man, wenn er plötzlich losschmettert: „Tanze Samba mit mir!“, womöglich die ganze Nacht?        

Dass es abgefahren werden wird, zeigt die Wahl der Location. Das ist das Stadtmagazin Bensheim, und seine Majestät lädt in die südliche Vorstadt ein. Im amtlichen Sprachgebrauch Heppenheim genannt. Marktplatz, 18 Uhr. Pünktlich betritt man die zentrale Stelle des kleinen Ortes. Marktplatz können die in der Vorstadt, denkt man beim Anblick des wundervollen historischen Ensembles. Aus einem Gebäude am östlichen Ende des Ovals winkt eine Hand heraus mit einem auffällig bunt bekleideten Arm daran. Das muss er sein: Rico Bravo, der Schlagerkönig der Bergstraße. 
       

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Rico Bravo isst gern hessisch – Schnitzel und Kochkäs’ dürfen da nicht fehlen. Bilder: Thomas Neu

Die langen Haare schön, das Hemd grell, die Hosen weit steht er da. Die Öffentlichkeit ist selbstverständlich nicht zugelassen zu diesem Termin. Fotograf, Texter und der Star, das war’s. Rico Bravo lässt kochen. Personal serviert Speis und Trank in der schmucken Wein- & Kaffeebar „Oma Magret“, in der die Audienz stattfindet. Warum das Treffen in der abgelegenen Vorstadt, fragt die Abordnung aus Bensheim. „Ich bin überall an der Bergstraße zu Hause“, outet sich Rico als einer, der jede Art von lokalen Barrieren hinter sich gelassen hat. Wie ein lachender Vagabund zieht er an der Bergstraße von Ort zu Ort, wohnt heute hier morgen da (ist kein Schlager, weil Wader, passt aber gut). Ohne festen Wohnsitz quartiert er sich ein in den unterschiedlichen Hotels an der Bergstraße.

Während der Pandemie musste Rico angesichts eines ausgedünnten Auftrittskalenders einige Abstriche bei Wahl und Komfort der Unterkünfte machen. Statt Hotel-Atlantic-Style war eher Zum-Blauen-Bock-Standard angesagt. Die vielen einsamen Stunden in den Pensionen der Region verbrachte er nur mit seinen Liedern. „Ledig, aber heißt begehrt“, bezeichnet er seinen aktuellen Beziehungsstatus. Anita, Michaela, Josie, Joanna waren einst wie ein flüchtiger, sanfter Wind an ihm vorbeigezogen, hinterlassen hatten sie einzig zarte Spuren im Sand. Schade. Aber jede neue Liebe ist wie ein neues Leben.

Die Vorspeise kommt. Verschiedene Variationen von Kochkäse und Handkäse mit vier Sorten Musik. Schlagergott, was willst du mehr?! Und das Brot erst, lecker! Hergestellt in einer traditionsreichen Brotmanufaktur in der Bensheimer Weststadt. Zu trinken wählt Rico Apfelwein rosé und zeigt sich in puncto Getränke ebenfalls als Grenzüberwinder.

Ein lachender Vagabund

„Ich bin überall an der Bergstraße zu Hause“, outet sich Rico Bravo als einer, der jede Art von lokalen Barrieren hinter sich gelassen hat.

Geboren wurde Rico Bravo am 1. Januar 1970 im Schwarzwald. Eindeutig ein Kind der 1970er Jahre also, des besten deutschen Schlagerjahrzehnts überhaupt. Großgeworden ist er im beschaulichen Einhausen an der Weschnitz. „Im Herzen bleibe ich immer Einhäuser“, verkündet er mit Pathos. Aufgewachsen ist er in einem wohlbehüteten Elternhaus. Das bedeutete in den Siebzigern, an Samstagen in die Wanne zu steigen und beim Baden, Schlager zu hören. Die Musik hatte Vati zuvor mit Highend-Kassettenrecorder und Richtmikrofon direkt an der Glotze mühsam während der ZDF-Hitparade aufgezeichnet. Nach dem Bade durfte im Fernsehen „Daktari“ oder „Kung Fu“ geschaut werden. Erinnerungen an glückliche Kindertage.

Rico erhielt eine klassische Ausbildung an der Heimorgel und sammelte erste Live-Erfahrungen. Nach einigen Umwegen, unter anderem absolvierte er eine Lehre zum Metzger, fand er Mitte der 1990er Jahre zum Schlager zurück. Mit Gleichgesinnten stieg er ein ins Schlagergeschäft. Ricarda, seine uneheliche Halbschwester, und Howie zählen nach wie vor zu seinen treuen Gefährten. Mit Costa, seinem Gitarristen und besten Kumpanen, trank er hin und wieder viel griechischen Wein. Trotz aller Rock’n’Roll-Exzesse vergaß er dank frühkindlicher Schulung auf der Bühne niemals auch nur ein einziges Wort seines Textes in dieser Sturm- und Drangzeit. Ausgestattet mit diesen und anderen besonderen Eigenschaften wurde er zu der Rampensau, die sich heute bei jedem Gig das Unterhemd zerreißt und den Blick auf seine behaarte Brust freigibt.

Das Hauptgericht wird aufgetragen. Schnitzelvariationen mit unterschiedlichen Beilagen wie einer sehr üppigen Portion Spargel. Eine Wucht. Wie Ricos Auftritt beim Hessentag in Bensheim 2014. Zur Erinnerung: Es war Sommer. Mit seiner Kapelle „Schulmädchenrapport“ spielte der Bergsträßer Schlagerkönig den König von Mallorca an die Wand des Festzeltes. Was ist schon „Ein Bett im Kornfeld“ gegen Ricos Interpretation von „Tränen lügen nicht“. 8000 Schlagerfans kamen seinerzeit nicht mehr aus dem Hossa-Rufen raus. Authentisch, nahbar, friedlich, nennt Rico Bravo das Geheimnis seines Erfolges. Und natürlich die schönen Haare. Jeden Morgen wird die Pracht gewaschen und gespült. „Ich komme aus einer Friseur-Dynastie“, sagt er stolz.

Eine dreifache Portion Eis läutet das Finale des Abends ein. Aber bitte mit Sahne kann man sich sparen, ist reichlich drauf. Zum Ende der Show setzt sich Rico Bravo in Reminiszenz an sein Vorbild Udo Jürgens ans Oma-Magret-Klavier – und singt einen Song von Michael Holm. „Mendocino, Mendocino, 1000 Träume bleiben ungeträumt.“ 
      

ZUR PERSON

Hinter der Kunstfigur Rico Bravo steckt der Wahl-Bensheimer Nico Würsching. Mit Rico hat Nico (54) einige Gemeinsamkeiten wie das Aufwachsen in Einhausen oder den Gesellenbrief im Metzgerhandwerk. Nach dem Abschluss seines Studiums arbeitet Würsching, Vater von zwei Kindern, seit vielen Jahren als Förderschullehrer. Musikalisch ist er zudem als Sänger der Cover-Rockband Jumble und der Marillion-Tribute-Band Forgotten Sons unterwegs. Und Nico Würsching trägt den Adler im Herzen: Er ist Fan, mit Dauerkarte, des Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt.

Zum Mitsingen

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Die Liste der im Text erwähnten Lieder für einen schönen Schlagerabend

„Sieben Fässer Wein“, „Joanna“
Roland Kaiser

„Karamba, Karacho, ein Whisky!“
Heino

„Tanze Samba mit mir!“
Tony Holiday

„Der lachende Vagabund“
Fred Bertelmann

Anita“
Costa Cordalis

„Michaela“
Bata Ilic

„Griechischer Wein“,
„Aber bitte mit Sahne“,
Udo Jürgens

„Ein Bett im Kornfeld“
Jürgen Drews

„Josie“, „Und es war Sommer“
Peter Maffay

„Deine Spuren im Sand“
Howard Carpendale

„Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“
Jürgen Marcus

„Tränen lügen nicht“, „Mendocino“
Michael Holm

„Fiesta Mexicana“
Rex Gildo

„Heute hier, morgen da“
Hannes Wader

Zum Nachkochen

Die Rezepte von Rico Bravo

HANDKÄSE CORDON BLEU

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Zutaten
4 Schweineschnitzel (ca. 2 cm dick), 4 Scheiben Schinken gekocht, 2 Handkäse, Butterschmalz, Eier, Mehl, Paniermehl, Salz und Pfeffer

Zubereitung
In die Schnitzel eine Tasche schneiden. Die Schnitzel innen und außen pfeffern und salzen. Den Handkäse würfeln. Die Schnitzel mit je einer Scheiben Schinken sowie dem Handkäse füllen und ringsum mit Zahnstochern gut verschließen. Die gefüllten Schnitzel der Reihe nach in Mehl, dem geschlagenen Ei und Paniermehl wenden. Rundherum in Butterschmalz goldbraun backen.

RICOS WÜRZIGER KOCHKÄSE

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Zutaten
250 g gute Butter, 200 g Harzer Käse, 200 g Schmelzkäse Sahne, 200 g Schmand, 1-2 Teelöffel Kümmel (wenn gewünscht), 1 halber Teelöffel schwarzer Pfeffer, 3 Prisen Salz

Zubereitung
In einem kleinen Topf wird die Butter bei milder Hitze zerlassen. Wenn die Butter zu köcheln beginnt, den in Würfel geschnittenen Harzer Käse und den Schmelzkäse dazugeben, kräftig rühren, bis der Harzer völlig geschmolzen ist. Den Topf vom Herd nehmen, Schmand, wenn gewünscht Kümmel, Pfeffer und Salz einrühren, bis der Käse schön glatt und cremig geworden ist.

Verfeinern kann man das noch mit den traditionellen 7 Kräutern der Frankfurter Grünen Soße (Borretsch, Kerbel, Kresse, Petersilie, Pimpinelle, Sauerampfer und Schnittlauch). So wird aus dem würzigen Kochkäse dann ein „Grüne-Soße-Kochkäse“.