Auf dem Außengelände der Kita Kappesgärten sind zwei Bienenvölker zu Hause. Die Vorschulkinder werden behutsam an den Umgang mit den Insekten und die Imkerei herangeführt.        

Angst vor Bienen oder einem schmerzhaften Pieks? Nö! Konstantin, Jonah, Zimeng, Maximilian, Ferdinand und deren Freundinnen und Freunde sind ziemlich cool. Respekt und Vorsicht ja, denn die Kindergarten-Kids wissen, ohne Bienen, egal ob Wild- oder Honigbiene, wären wir Menschen ziemlich übel dran.

Vieles, was uns gut schmeckt, was wir tagtäglich mit Genuss essen, wäre ohne den Bestäubungsmarathon der fleißigen und perfekt organisierten Insekten auf einen Schlag futsch. Leckeres Gemüse und saftiges Obst – Fehlanzeige! Ohne Bienen kein Leben heißt ein Slogan, der wie ein Science-Fiction-Film klingt und doch nicht weit weg von der Wirklichkeit ist. Etwa 80 Prozent unserer heimischen Pflanzenarten wären ohne die Bestäubung der Bienen einfach futsch. 
     

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Schutzanzug und Handschuhe dürfen nicht fehlen, wenn die Kinder ihre Bienen besuchen. Bild: Thomas Neu

Die älteren Kids in der Kindertagesstätte Kappesgärten lernen und beobachten – sozusagen am lebenden Objekt und nicht aus Büchern – wie Bienen ticken, wie schwer und unermüdlich sie schuften und sich plagen und dass es neben den Honiglieferanten circa 550 solitäre Wildbienenarten gibt. Sie kennen die Aufgaben der Weibchen, der Arbeiterinnen, sie wissen, warum die männlichen Tiere, die Drohnen, nur ein paar Wochen leben und warum es immer nur eine Königin pro Bienenstock geben darf und ihre Rivalinnen kurz nach ihrer Geburt gemeuchelt werden. Und Achtung, dass eine einzige Königin pro Tag bis zu 2000 Eier legt!

Tatsächlich stehen auf dem Außengelände der Kita nicht nur zwei Bienenvölker mit jeweils 40 000 bis 50 000 Bewohnern, ein wenig abseits gibt es auch ein selbst gebautes Bienenhotel mit drei unterschiedlichen Nisthilfen für Wildbienen. Und, glaubt man den Kindern – und warum sollte man es nicht - wurde noch keines von ihnen ein einziges Mal gestochen. Im Schwimmbad und zu Hause im Garten versehentlich schon, aber eben nicht im Kindergarten. Die Fünf- und Sechsjährigen erleben hautnah, warum ein Schutzanzug und Handschuhe wichtig sind und dass Rauch die nützlichen Bestäuber und Honigproduzenten relaxen lässt und ein wenig ablenkt. Einmal mit dem Smoker eine Ladung Rauch ins Flugloch gepustet und los kann’s gehen.

Es ist vermutlich ein bislang deutschlandweit einmaliges Projekt, dass Vorschulkinder ihre eigenen Bienenvölker betreuen und deren Entwicklung regelmäßig verfolgen, Waben ziehen, den Honigraum aufsetzen sowie Honig- und Brutwaben begutachten. Und das alles mit großer Begeisterung und wachsendem Verständnis für die Bienenschwärme und deren verschiedene Persönlichkeiten. Angeleitet werden die Nachwuchsimkerinnen und -imker von Erzieherin und Imkerin Johanna Ritzert, ihrem Ehemann Tobias (Letzterer musste leider gesundheitsbedingt aufhören) und Rita Schmidt. „Die schwierigsten Kinder sind oft diejenigen, die am tatkräftigsten mitarbeiten und total fasziniert sind“, freut sich die Erzieherin. 
      

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Nicht nur Honigbienen fühlen sich auf dem Gelände der Kita Kappesgärten wohl – auch für Wildbienen wurde ein Lebensraum geschaffen. Imker Johannes Lückmann erläutert das Wildbienenhotel. Bilder: Thomas Neu

Imker Johannes Lückmann, der das Erfolgsmodell von Anbeginn an begleitet, schaut des Öfteren vorbei und hilft wenn nötig mit Tipps und Ratschlägen aus: „Für die Kinder ist es wie Kino, wenn es üblicherweise ab März vor dem Bienenhotel und den Bienenstöcken summt und brummt. Und wir sind immer wieder überrascht, was manche schon wissen oder wie schnell sie Zugang zu dem Thema finden.“ Am Ende des Kreislaufes und bei optimalen Bedingungen schleudern die Jungimker zwei Mal pro Jahr ihren eigenen, cremigen Frühjahrsblütenhonig und bernsteinfarbenen Sommerblütenhonig und füllen ihn in Gläschen mit ihrem Namen und eigenem Logo.

Eine super Sache – auch wenn nicht immer alles wie gewünscht klappt. Manchmal spielt die Natur nicht mit und lässt Bienen und ihre Bewacher eine Weile zappeln. Beispielsweise, wenn das Frühjahr kalt und nass ist und die ansonsten so emsigen Nutztiere sich erst bei steigenden Temperaturen wieder auf die Suche nach süßem Nektar begeben. Dass die Pollen- und Nektarsammlerinnen in diesem Jahr reichlich verspätet mit der Arbeit begonnen haben, hängt ebenfalls mit der Witterung und einer verzögerten Baumblüte zusammen.

Sogar das Fernsehen ist auf das Projekt der Kita Kappesgärten „Mit den Bienen durch das Jahr – Ganz nah dran – schon mit den Kleinsten“, aufmerksam geworden und hat sich an mehreren Drehtagen mit einem Kamerateam des WDR angemeldet. Im nächsten Jahr wird die Reportage aus Bensheim in der Sendung „Der kleine Elefant“ für Kinder von drei bis sechs Jahren ausgestrahlt.

Dass das Projekt eben gerade keine Eintagsfliege und das Interesse an den Honigbienenvölkern und den Wildbienen nicht schnell verpufft ist, sondern tatsächlich seit mehr als zehn Jahren mit großem Erfolg und Begeisterung in der Kita praktiziert wird, ist einmalig. Viele Vorschulkinder haben bis heute davon profitiert und tun es noch immer. Unterstützt wird das naturnahe Konzept von Eltern, Kindergartenleitung mit Nicole Stallone, von Personal und Förderverein. „Anfangs bekamen die Eltern Schnappatmung, als sie von unseren Plänen hörten. Jetzt stehen sie alle hinter uns“, verrät Lückmann zufrieden.

Schon 2009 haben Eltern die Idee von der „Natur vor der Haustür“ in der Kindertagesstätte mit dem Ziel in die Tat umgesetzt, Neugier zu wecken, die Kleinen zu animieren, auf Entdeckungsreise zu gehen und die Natur mit ihrem Facettenreichtum zu begreifen. Man unternahm gemeinsam Ausflüge zu einem Tümpel, um dort Molche und Frösche zu beobachten, und bekam Besuch von der flugunfähigen Fledermaus Bruno, die nichts gegen ein paar Streicheleinheiten hatte.

Im Wald und auf den Wiesen wurden Käfer, Wanzen, Spinnen und Heuschrecken beobachtet und gefangen. Von ganz weit her aus Südostasien stammen zwei – auf den ersten Blick doch ziemlich fremd und abstoßend anmutende – Dorngespenst- und Stabheuschrecken (auch bei ihnen zeigen die Kids keine Berührungsängste) und ebenso grazile wie faszinierende Wandelnde Blätter, die sich allesamt in einem großen Terrarium wohlfühlen.

Zwei Jahre später, also 2011, entschieden sich Eltern und Erzieherinnen nach dem Besuch der Kita-Youngster bei einem Hobbyimker, die Honig- und Wildbienen und deren unterschiedliche Lebensweisen näher kennenzulernen, um Ekel und Ängste abzubauen, Begeisterung und Interesse zu wecken, biologische Zusammenhänge zu verstehen und Kooperations- und Teamfähigkeit untereinander zu stärken.

Aus zwei Jahren – so lange sollte das Projekt ursprünglich dauern – sind mittlerweile elf geworden. Und noch immer sind Betreuerinnen und Vorschulkinder, die in kleinen Gruppen unter Aufsicht ihre ersten Imkererfahrungen machen, die Entwicklung der Völker beobachten, die Honig- und Brutwaben begutachten, Ableger füttern und so viel über die Biologie der Honigbienen erfahren, mit Begeisterung und Geduld bei der Sache.

Bei den Wildbienen ist es ähnlich. Die Nistwand mit drei Nisthilfen bauten die Kinder gemeinsam mit einer Mutter im Rahmen einer Bienenwerkstatt. Bambusstäbe wurden zurecht gesägt und in Konservendosen gesteckt, aus Ton geformten Ziegeln wurden Röhren ausgestochen und vieles mehr. „Wir können uns unsere Einrichtung ohne die Bienen gar nicht mehr vorstellen“, bekräftigt Johanna Ritzert. Und wer die Kinder „bei der Arbeit“ beobachtet, muss ihr recht geben.

Selbst an Corona ist das Identifikationsprojekt der Kita Kappesgärten nicht gescheitert. Im Gegenteil! Unsicherheiten und Skepsis zu Beginn der Honigbienenhaltung gehören längst der Vergangenheit an. Lediglich die Feiern zum zehnjährigen Jubiläum mit Willi Weitzel, dem beliebten Fernsehmoderator der Sendung „Willi will’s wissen“ und erfolgreichen Dokumentarfilmer („Willi und die Wunder dieser Welt“), mussten abgesagt werden. Gerlinde Scharf