Sie heißen Stirling, Truman, Dickens, Carmichael, Usher, Ashley, Vincent und Tyler. Alle sind sich irgendwie ähnlich und doch sind sie ganz verschieden. Der eine ist groß, der andere klein. Der eine hat einen kugelrunden Bauch, der andere ist schlank und rank. Der eine mag Kekse und ein Tässchen Tee und kuschelt gern am Abend, der andere liebt Blumen, Tiere und Streicheleinheiten. Der Dritte im Bunde kippt hie und da ein Eierlikörchen, der Vierte hat ein Faible für Sprachen und spricht Deutsch, Französisch und Englisch, sein Kollege wiederum träumt von Reisen in ferne Länder und hat schon einen Reisepass beantragt. Ein Liebhaber romantischer Gedichte, ein Fan von schottischem Whisky und ein cooler Typ mit Bauchnabel-Piercing sind ebenfalls dabei.Die Rede ist hier von Bären. Nicht irgendwelche Bären, sondern handgenähte „Crumblebears“ zum Sammeln und Liebhaben aus hochwertigen, farbigen Tweed-Stoffen mit eigener Geburtsurkunde und eigener Biografie, mit individuellen Vorlieben und Leidenschaften. Ein bisschen zottelig sind sie durch die Bank und zum Kuscheln nicht unbedingt geeignet. Auf dem Laufsteg hätten sie womöglich ebenfalls nur geringe Chancen auf einen Schönheitspreis. Doch wer die liebenswerte Bande einmal zu Gesicht bekommt und ihnen in die Augen sieht, der schließt sie unweigerlich ins Herz und würde sie am liebsten in den Arm und mit nach Hause nehmen. Für Kinder zum Spielen sind die Künstlerbären allerdings nicht geeignet – unter anderem wegen der Glasaugen.Andrea Lichtenberg heißt die Bärenmama mit der Engelsgeduld, dem Tüfteltalent, der nötigen Prise Humor und der nicht nachlassenden Leidenschaft. Gemeinsam mit Freundin Kathleen Hofmann („wir sind zwei kreative Frauen“) ist sie für den Charakter jedes einzelnen „Crumblebear“ verantwortlich. Kaufen kann man die Kerle übrigens nicht („ich habe keinen Shop“). Man kann sie aber bei der „Adoptivstelle Lichtenberg“ adoptieren und wird so im Handumdrehen zu „Adoptiveltern“. Und diese leben unter anderem in Kanada, im Sauerland, in Österreich, aber auch in München, Kiel und in Bensheim.

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Mehr als 400 Bärenkinder hat Andrea Lichtenberg schon aufwändig per Hand genäht. Die niedlichen Kerle mit englischen Vornamen können „adoptiert“ werden. | Bilder: Thomas Zelinger
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Mehr als 400 Bärenkinder – plus einen einzigen Mäuserich mit Namen Seymour McMouse – hat die Hobbykünstlerin schon per Hand in vielen zeitaufwändigen Arbeitsschritten und ausgestattet mit liebevollen Details genäht. Dabei greift sie auf mindestens 50 unterschiedliche Modelle – nach eigenem Schnittmuster oder abgeänderten Vorlagen – zurück. Manche „Crumblebears“ sind unverkäuflich, „weil ich mich einfach nicht von ihnen trennen kann“, verrät sie und „alle sind verschieden, so wie wir Menschen auch.“ Eine weitere Besonderheit der Bären: sämtliche Typen sind männlich und haben englische Vornamen. Einen genauen Grund dafür kann Andrea Lichtenberg nicht nennen. Möglicherweise ist es ihre Vorliebe für Kanada und Schottland und die schottische Band Runrig. Bis zu deren Auflösung 2018 hat sie gemeinsam mit ihrem Ehemann 168 Runrig-Konzerte besucht. Eine Bären-Kollektion trägt die Namen der sechs Musiker Iain (Drummer), Malcom (Gitarrist), Calum (Percussion), Rory (Bass), Brian (Keyboard) und Bruce (Gesang). Die komplette Bären-Band hat die Bensheimerin für einen guten Zweck versteigert.

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Begonnen hat die Bärenmanie vor etwa 25 Jahren. „Schuld daran ist mein Ehemann“, sagt Lichtenberg schmunzelnd. Er hat ihr zum Nikolaustag eine Bastelpackung für Teddybären von Tchibo geschenkt, „die ganz lange unberührt im Schrank lag.“ Als sie dann doch endlich zu Nadel und Faden griff, war es um sie geschehen: Bär Andrew gehört nach wie vor zur Familie Lichtenberg.

Dass sie mit der Adoption von Truman und Kumpanen nicht reich werden kann, stört Andrea Lichtenberg kein bisschen. „Ich will nichts daran verdienen. Es macht mir einfach Spaß.“ Etwa 30 Arbeitsstunden, angefangen von der Auswahl des Schnittmusters bis zum Einsetzen der Gelenke an Armen und Beinen, braucht es, bis der Bär so ist, wie er sein sollte: „Und alles ist hundertprozentig mit der Hand genäht. Eine Nähmaschine braucht es nicht.“ Jetzt hofft die Hobbykünstlerin, dass sie ihre „Adoptivbären“ in diesem Jahr wieder nach einer längeren Pause in einer der Künstlerbuden auf dem Weihnachtsmarkt zeigen und im besten Fall zur Adoption freigeben kann. Einige Modelle hat Andrea Lichtenberg in der Stoffwerkstatt Nanai im Wambolter Hof in direkter Nachbarschaft zum Weltladen ausgestellt, wo sie mehrere Stunden in der Woche ehrenamtlich arbeitet. Gerlinde Scharf
 

Infos im Netz

„Crumblebears“ von Andrea Lichtenberg: https://crumblebears.com