Boccia, Boule, Pétanque – ja was denn nun? Gibt’s da überhaupt einen Unterschied? Sehr wohl! Wenn der erste Bundeskanzler der jungen Bundesrepublik Konrad Adenauer an seinem Urlaubsdomizil am Comer See sein Jackett abgelegt hat und in den 50er und frühen 60er Jahren für die Fotografen in elegant-sportlicher Pose die Kugel rollen ließ, dann demonstrierte er seine neu entdeckte Leidenschaft Boccia: ein Freizeitspiel für jedermann, das seine Wurzeln in Italien hat.

Boule oder Pétanque, wie der Name korrekt heißt, und das zu Frankreich gehört wie Napoleon oder der Eiffelturm und von vielen Franzosen auf öffentlichen Plätzen gespielt wird, kann beides sein: Freizeit- oder Sportvariante. In Bensheim ist man locker und pflegt sowohl als auch. Die schattenspendende Boule-Allee im Weiherhausstadion bietet dafür geradezu ideale Bedingungen: „Bei uns gibt es Boule als Freizeitsport für jedes Alter oder eben auch Pétanque als Ligasport“, sagt Carsten Büssing, SSG-Abteilungsleiter Boule: „Hauptsache, es macht Spaß. Der Vorteil ist, man bewegt sich an der frischen Luft.“ Der Einstieg für Neulinge sei jedenfalls relativ leicht, versichert er.

Für die sportlich engagierten und ehrgeizigen Spielerinnen und Spieler aber, die auf Turnieren in der Hessen-Liga-Süd antreten, ist Übung das A und O: „Das Spiel erfordert mentale Konzentration, Präzision, Ballgefühl, Technik sowieso und Taktik“, erläutert Büssing die Voraussetzungen für die Sportart.
 

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Ulrike Richter, die sich vor mehr als 20 Jahren mit dem harmlosen Kugel-Virus infiziert und in früheren Jahren auf dem Beauner Platz, im Stadtpark und im Hof der Rodensteinschule „oftmals bis um 1 Uhr in der Nacht trainiert hat“, bestätigt: „Es ist tatsächlich anstrengend, aber es hat mich einfach gepackt. Der Ehrgeiz ist da.“

Und auch Kerstin Gutgesell, erfolgreiche und Wettkampf erprobte Keglerin, ist seit etwa vier Wochen regelmäßig auf der Boule-Allee im Stadion zu finden. Aus gesundheitlichen Gründen erwägt sie, künftig mit den handlicheren und kleineren Kugeln zu hantieren, die jede für sich zwischen 650 Gramm und 800 Gramm schwer ist: „Ich bin gerade in der Umstellungsphase und muss von den erfahrenen Spielerinnen und Spielern noch viel lernen“, erklärt die Sportlerin.

Und weil die sechs Boule-Felder (theoretisch sind auf ihnen 30 Matches möglich) im Vorjahr eine komplette Renovierung erfahren haben und mit unterschiedlichen Sand-, Splitt- und Kiesbelägen ausgestattet wurden, ist die Anlage absolut Ligatauglich. In den dunkleren Wintermonaten kann man sogar bei Flutlicht spielen. Ein Mitglied hat außerdem dafür gesorgt, dass eine knallrote Hütte von Freiburg nach Bensheim umgesiedelt ist und darin jetzt ein Kühlschrank steht (für kalte Getränke) und Trainingsgeräte, „Kugelwärmer“ etwa, aufbewahrt werden können.

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Carsten Büssing (im Bild links) leitet die Abteilung Boule der SSG Bensheim. Beim Spiel kommt zum Ausmessen der Abstände auch mal ein Maßband zum Einsatz. | Bilder: Thomas Zelinger
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Finanziert wurde die Boule-Allee auf einem ehemaligen Wirtschaftsweg, etwas abseits von den Fußballfeldern und der Leichtathletikbahn, von der SSG und der Abteilung selbst mit dem Erlös aus Altpapiersammlungen. „Wir haben einige Jahre dafür gespart“, verrät Büssing, „aber wir sind jetzt top-zufrieden und dem Verein dankbar für seine Großzügigkeit.“ Seit 1989 wird in Bensheim Boule gespielt. Philipp Zimmermann, ehemaliger Stadtverordnetenvorsteher, Freund und Förderer der Städtepartnerschaft mit Beaune in Burgund und begeisterter Sportler, hat die Initialzündung gegeben. Thomas Schader, einer der Gründungsmitglieder, ist bis heute aktiv.

Und natürlich gibt es Regeln beim Boule oder Pétanque, die es zu beachten gilt. Das Ziel aber ist immer gleich: Die Kugeln müssen der kleinen Zielkugel, dem „Schweinchen“, möglichst nahe rücken und den Gegner auf Abstand halten. Jeweils zwei Teams – 1:1,2:2 oder 3:3 – spielen gegeneinander aus einem Abwurfkreis heraus. Laut Vorschrift sollen die Füße dabei solange Bodenkontakt halten, bis die geworfene Kugel wieder den Boden berührt. Gezählt wird nach einem Punktesystem – bis maximal 13.

Aktuell belegen die SSG-Bouler den dritten Platz in der Hessen-Liga. Die Abteilung ist mit 20 Mitgliedern zwar klein, aber hoch motiviert. „Wir freuen uns über jeden Neuzugang oder Interessierte, die bei uns hineinschnuppern wollen. Wir stehen immer mit Rat und Tat zur Seite“, versichert Carsten Büssing.

Das Training auf der Boule-Allee im Weiherhausstadion findet jeden Dienstag ab 18.30 Uhr und jeden Samstag ab 14.30 Uhr statt. Gerlinde Scharf
 

Infos im Netz

Abteilung Boule/Pétanque der SSG Bensheim: https://www.ssg-bensheim.de