In den 60er Jahren ist Ruhe eingekehrt. Davor wurde auf dem Gebiet knapp sechs Jahrzehnte lang Ton abgebaut. Daher die Namensherkunft. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gab es eine Feldbrandziegelei. Die Vorkommen sind dem früheren Verlauf des Neckars geschuldet, der bis vor 2000 Jahren durch das Hessische Ried mäanderte und nördlich von Darmstadt in den Rhein mündete. Als die Fläche nach ihrer industriellen Nutzung wieder der Natur überlassen wurde, haben sich auf rund 92 Hektar zwischen Bensheim und Heppenheim viele seltene Arten eingefunden. Ein besonderer Lebensraum mit vielen Flachwasserbereichen, Schilf und kostbaren Brenndolden-Feuchtwiesen.

Die Vielfalt der Fauna ist beachtlich. Über 90 Vogelarten brüten dort, viele weitere legen hier eine Rast auf dem Weg von und zu ihrem Winterquartier ein. Wer aufmerksam hinschaut und sich ruhig verhält, kann hier regelmäßig einen Eisvogel aus wenigen Metern Entfernung beobachten. Nur stören sollte man die Tiere auf keinen Fall. Dafür wurde extra eine Schutzhütte gebaut.

Ein Leben für den Naturschutz

„Jürgen Schneider organisiert seit 35 Jahren vogelkundliche Exkursionen durch die Tongruben. Seit Mai ist er Vorsitzender des Fördervereins, der sich um den Schutz des 92 Hektar großen Areals kümmert.”

Das Gelände ist sensibles Terrain. Zahlreiche Amphibien finden dort noch eine der immer knapper werdenden Rückzugsmöglichkeiten. Man sieht Silberreiher und Wasserrallen, Blesshühner und Rotmilane, Halsbandsittiche und Weißstörche, Zwergtaucher und manchmal sogar einen Seidenreiher. In den Tümpeln und Teichen wimmelt es im Frühling von den Larven zahlreicher Libellen- und Amphibienarten.

Anfang Mai kann man spätabends ein Froschkonzert miterleben, berichtet Jürgen Schneider. Seit 1976 ist er aktiver Naturschützer mit feldornithologischer Erfahrung, zehn Jahre später ist er Gründer und bis heute Vorsitzender des Naturschutzbunds Meerbachtal und seit Mai neuer Vorsitzender des Fördervereins Tongruben, der sich seit 1998 für die Pflege und den Bestand des Naturschutzgebiets einsetzt. Seit über 35 Jahren organisiert Schneider regelmäßig vogelkundliche Exkursionen durch die Tongruben, er kennt jede Nische des Areals, von dem erste Teile ab 1977 als Naturschutzgebiet ausgewiesen wurden.

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Es folgten Maßnahmen zur Renaturierung und Wiederherstellung der Flachwasserteiche. In Bensheim wurde ein Wassereinlauf-Bauwerk am Meerbach errichtet, um den Wassernachschub zu gewährleisten und die Austrocknung der Teiche zu verhindern. Auf Heppenheimer Gemarkung werden die beiden Jägerteiche vom Grundwasser gespeist. 1989 wurde das wertvolle Feuchtgebiet auf seine heutige Größe erweitert und rechtskräftig als FFH-Gebiet ausgewiesen. Damit ist es Teil des europäischen Natura2000-Gebiets „Hessische Altneckar- Schlingen“.

Gegründet hatte sich der Verein, um dem drohenden Verlust eines im Kreis Bergstraße einzigartigen Vogelparadieses entgegenzuwirken. Anlass war der damals sinkende Grundwasserspiegel in den stillgelegten Gruben. Aktiv wurde und wird darum gekämpft, um eine Austrocknung und damit einen weiteren Verlust an Lebensraum zu stoppen. Etwa 80 Mitglieder helfen mit. Als gemeinnütziger Verein agiert man politisch unabhängig und kann sich voll auf den Naturschutz konzentrieren.

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Sämtliche Maßnahmen vor Ort sind in ein umfassendes Pflegekonzept integriert, das jedes Jahr gemeinsam mit dem Regierungspräsidium Darmstadt sowie der Landesbehörde Hessen-Forst und den anerkannten Naturschutzverbänden erarbeitet wird. Der Förderverein bringt seine Expertise mit ein, zum Beispiel zur detaillierten Erfassung der im Naturschutzgebiet vertretenen Pflanzen- und Tierarten. Auf Grundlage dieser Angaben wird unter anderem entschieden, wie einer drohenden Verbuschung des Geländes zu begegnen ist oder wann die sensiblen Feuchtwiesen gemäht werden. Jürgen Schneider weiß aus Erfahrung, dass es in einem solchen Schutzgebiet wenig Spielräume gibt. Umso wichtiger sei es, jetzt im Dialog mit dem RP die Weichen für die Zukunft der Tongruben zu stellen.

Ein prominentes Thema heißt Besucherlenkung. Schneider plädiert für ein intelligentes Konzept, um Gäste an die Natur heranzuführen, ohne diese zu gefährden. Der Bau einer Beobachtungshütte an den Jägerteichen, die vom Nabu betreut wird, war ein erster Schritt in diese Richtung. Da große Teile des Gebiets aber nicht betreten werden dürfen, sind sowohl Pflegemaßnahmen wie auch ein sinnvoll gestaltetes Wegenetz äußerst schwierig umzusetzen.

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„Man schützt nur, was man kennt“, sagt Jürgen Schneider. Er hofft, dass sich Wege und Mittel finden werden, um naturinteressierte Menschen behutsam und kanalisiert an dieses besondere Gebiet heranzuführen. Denn wo Pfade zuwachsen und sich Räume schließen, marschieren viele auf eigene Faust quer durch das Feld – und verursachen weitaus mehr Schaden als wenige, dafür aber klug geplante Zugänge. Hinzu kommen unangeleinte Hunde, was in einem Naturschutzgebiet ohnehin ein Tabu sein sollte. Auch die Wiesen sollten je nach ihrer individuellen Beschaffenheit gepflegt und gemäht werden, so der Vorsitzende, um diese bestmöglich auch im Sinne ihrer pflanzlichen Artenvielfalt nutzen und erhalten zu können. Einige seltene Arten blühen erst im Juli und müssten daher später bearbeitet werden. „Wir müssen die Pflegekonzepte generell überarbeiten und auch an den jeweiligen Grundwasserspiegel anpassen“, so Schneider.

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Das Element Wasser spielt in den ehemaligen Tongruben zwischen Bensheim und Heppenheim eine entscheidende Rolle. | Bild: Thomas Neu
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Ab Ende der 1970er Jahre wurden erste Bereiche der ehemaligen Tongruben als Naturschutzgebiet ausgewiesen. | Bild: Thomas Neu

Mit dem neuen Vorstand sieht er den Förderverein für die Zukunft gut aufgestellt. In seinem Stellvertreter Peter Petermann aus Bürstadt weiß er einen versierten Ornithologen an seiner Seite. Als Beisitzerin ist die Bensheimer Botanikerin Anette Modl im Boot. Hinzu kommen sein Kollege vom Nabu Meerbachtal, Dieter Haase aus Heppenheim, sowie Wolfgang Fütterer aus Fürth. Kassenwart ist weiterhin der Gronauer Axel Jochem, Norbert Kille (Heppenheim) ergänzt den Vorstand im Amt des Schriftführers. Doch auch der frühere Vorstand habe laut Jürgen Schneider in den vergangenen Jahren sehr gute und konstruktive Arbeit geleistet. Beispielhaft nennt er den 2020 verstorbenen Willy Helm und dessen Vorgänger Günter Hagemeister, dessen Austritt aus dem Verein er außerordentlich bedaure.

Soweit sich die Möglichkeit ergibt, will der Verein auch weiterhin selbst Flächen aufkaufen, die im Naturschutzgebiet liegen oder unmittelbar an dieses angrenzen. Die Mitglieder haben hier insbesondere das südliche Ende im Visier. Die neuen Bereiche würden dann an die Nabu-Stiftung übergehen, um sie dauerhaft für den Naturschutz zu sichern, erläutert der Vorsitzende, der in den Tongruben ein Naturerlebnis erkennt, das in der Region seinesgleichen suche. Der weit gereiste Naturfreund und fachkundige Globetrotter selbst schätzt die frühe Morgenstimmung – wenn die Sonne hinter der Starkenburg aufgeht und sich die Wasseroberfläche in ein wunderschönes Rot färbt. „Das ist immer wieder eindrucksvoll!“ Thomas Tritsch
  

Infos im Netz

Förderverein Tongruben
https://nsg-tongruben.de