Gut, dass der Termin zur Essenseinladung bei Natalie Reckeweg und David Reckeweg-Lecompte nach dem 75. Firmenjubiläum des Familienunternehmens lag: So kam das Team vom Stadtmagazin in den Genuss eines ganz besonders leckeren Aperitifs: Gemeinsam mit Destillateurmeister Gregor Thormann von der Spirituosenschmiede in Heppenheim hat das Ehepaar einen echten Sommergin kreiert, in limitierter Auflage aus Anlass des Jubiläums der Pharmazeutischen Fabrik Dr. Reckeweg & Co. GmbH.Das Besondere: Es kamen auch Ingredienzien aus der Firma zum Einsatz, zum Beispiel ein Zitronenauszug, der normalerweise für Arzneien und – wegen der Vitamine – in Nahrungsergänzungsmitteln verwendet wird. Daneben sorgen unter anderem Thai-Basilikum, Grapefruit und Szechuanpfeffer für den ganz besonders frischen und aromatischen Geschmack, der sogar Natalie begeistert, die zuvor eigentlich kein großer Fan von Gin war, wie sie sagt.

Zusammen mit Tonic Water und einer Kumquateinlage war der Reckeweg-Gin ein idealer Auftakt zu einem Abend, den man sich kaum sommerlicher vorstellen kann: An diesem Juni-Wochenende erreichten die Temperaturen um die 38 Grad. Zu heiß sogar, um am frühen Abend auf der Terrasse des hoch über Auerbach gelegenen Hauses zu essen, von der man einen tollen Rundblick über die Rheinebene und zugleich auf jede Menge alte Bäume hat. Der Kauf des Hauses vor sechs Jahren sei ein echter Glücksfall gewesen, erklären David und Natalie, die eigentlich auf der Suche nach einem der schon damals raren Baugrundstücke waren und dabei durch Zufall auf die Villa aus den 1930er Jahren stießen, die Anfang dieses Jahrtausends aufgestockt und umgebaut worden war. Nach der ersten Besichtigung warfen die beiden alle Neubaupläne über den Haufen und haben es bis heute nicht bereut.

Im lichtdurchfluteten Wintergarten, den der Vorbesitzer angebaut hatte, gibt es einen echten Sommerhit als Vorspeise: Ceviche – gewürfelter roher Fisch, der für einige Stunden in Limettensaft mariniert und damit „gegart“ wird. Das Rezept dazu hat David 2003 in Peru kennengelernt und in eigenen Varianten abgewandelt – an diesem Abend hat er Kabeljaufilet und Garnelen unter anderem mit Stangensellerie, Koriander und Avocadostücken gemischt, die dem frischen, säuerlichen Geschmack des Fischs eine buttrige Note hinzufügen. Als überaus passenden Weißwein dazu gibt es einen leichten Silvaner aus Rheinhessen vom Weingut Karl May. Mit am Tisch sitzen Zoë, 4, und Léontin, 7 Jahre alt. Sie dürfen von allem mitessen, müssen es aber nicht, und entscheiden sich an diesem Abend für Nudeln mit Tomatensoße. Dass die beiden in 25 Jahren einmal das 100-jährige Jubiläum des Familienunternehmens ausrichten, wäre ein Wunsch der Eltern. Auch für Natalie und ihre Schwester Annabel war es von Kindheit an klar, dass sie einmal in die Firma einsteigen würden. Doch wurde am Familientisch damals nicht von der Firma gesprochen und die Kinder bekamen deshalb nicht viel vom Geschäftsleben mit. Das würde sie dann wohl mal anders machen, sagt Natalie. Sie selbst hat, ebenso wie David, Betriebswirtschaft studiert und beide haben ihre Berufserfahrungen in Marketing und Vertrieb gesammelt.

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Natalie Reckeweg und David Reckeweg-Lecompte mit ihren Kindern Zoë und Léontin. Beim Kochen kann der Hausherr am Wochenende gut entspannen. Bilder: Thomas Zelinger

Auch für den Zwischengang zeichnet David verantwortlich. „Er entspannt sich beim Kochen“, sagt Natalie, „und macht sich vor allem am Wochenende in der Küche zu schaffen.“ Es gibt perfekt auf den Punkt gegarte Jakobsmuscheln – zwei Minuten pro Seite, mehr nicht, empfiehlt der Koch. Garniert ist das Ganze mit Essigschaum, der ein wunderbares Gegengewicht zu der leichten Süße der Muscheln bildet.

Der Wein dazu ist eine Cuvée aus Weißburgunder und Chardonnay aus dem Weingut Hensel in Bad Dürkheim, zu dem Natalie und David eine ganz besondere Beziehung haben. Nicht nur, weil Natalie Chardonnay und dessen buttrigen Charakter liebt, sondern weil Hensel den Wein zur Hochzeit der beiden im Jahr 2013 geliefert hat: Nach drei gemeinsamen Jahren in Australien konnte David sich zu Natalies Erleichterung gut vorstellen, mit ihr in den Bensheimer Familienbetrieb einzusteigen, den beide seit Anfang 2022 als Geschäftsführer leiten.

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Im „Beefer“ erhält das Wagyu-Rind bei extrem hoher Temperatur wunderbare Röstaromen.

Ein sechs Monate langes Praktikum der beiden hatte 2013 am Anfang ihrer Tätigkeit für die Firma Reckeweg gestanden. Dabei arbeiteten sie in allen Abteilungen mindestens ein paar Tage und haben jeden Mitarbeiter wenigstens kurz begleitet und kennengelernt. „Eine durchweg positive Erfahrung“, erinnert sich Natalie noch heute gern, bei der sie die Mitarbeiter auch immer gefragt habe, was sie an der Firma gern verändern würden – und sie bekam Anregungen, die sie dann zum Teil umsetzen konnte.

In der Firma fällt oft auch echte Handarbeit an, wo dann prinzipiell jeder mitarbeiten muss. Etwa, wenn eine Frischpflanzenlieferung ganz schnell „verschnippelt“ werden muss. Kommt zum Beispiel der Bauer mit einer unangekündigt großen Fuhre frisch geerntetem Hafer, dann werden die Halme sofort komplett zerkleinert und mit Alkohol gepresst, um unter anderem zu Schlaftropfen verarbeitet werden zu können.

Zum Hauptgang erlauben die Außentemperaturen dann die Fortsetzung des Dinners auf der Terrasse – wo auch gefahrlos der gasbetriebene „Beefer“ in Betrieb genommen werden kann. Auch hier setzt Küchenchef David auf hochwertige Ausgangsmaterialien, deren Geschmack durch die angemessene Zubereitung zur Geltung kommt. Dünne Scheiben vom Wagyu-Rind hat er vortemperiert und lässt sie dann nur ganz kurz im Infrarotgrill mit extrem hoher Temperatur Röstaromen annehmen. Das Ergebnis: fein, weich, schmelzend – und wunderbar fett.

Zu diesem Aromaerlebnis passen ein grüner Salat und eine weitere Reminiszenz an die gemeinsame Vergangenheit von David und Natalie, ein Shiraz des Jahrgangs 2018 aus dem südaustralischen Coonawarra District, so fruchtig, pfeffrig und kräftig, wie es die Weinberge der Neuen Welt hervorbringen können, in diesem Fall das berühmte und alteingesessene Weingut Penfolds mit ihrem BIN 128.

Dass in die junge Familie schon eine ganze Menge Welterfahrung eingeflossen ist, merkt man auch an der Zweisprachigkeit der beiden Kinder: Die Mama spricht deutsch mit ihnen, der Papa – als Belgier – französisch. Untereinander spricht das Paar englisch, denn das ist die Sprache, mit der sie sich kennengelernt haben. Deutsch lernte David erst mit dem Eintritt in die Firma, und hat dabei von Anfang an richtig Gas gegeben. Den Wechsel an die vergleichsweise provinzielle Bergstraße hat er, nach eigenem Bekunden, noch nicht bereut, im Gegenteil: Er findet die Gegend wunderschön und einen Wohnsitz etwa in Frankfurt indiskutabel.

Das Einleben hatte ihm als Frischverheirateter im Jahr 2013 das gute Verhältnis zu den Schwiegereltern erleichtert: Der anvisierte Wohnraum über dem Firmenneubau am Berliner Ring war noch nicht fertig und das junge Paar wohnte erstmal ein paar Monate bei den Eltern der Braut unterm Dach. Dort entwickelte David auch schnell eine Idee zur Verbreiterung des Produktportfolios. Anfangs von der Familie belächelt, sind Mittel aus Cannabis inzwischen auf dem besten Weg, die homöopathischen und pflanzlichen Arzneimittel aus dem Hause Reckeweg zu ergänzen. Ein neues, spannendes und auch ein wenig riskantes Betätigungsfeld, sagt David, der bei dem Thema THC leidenschaftlich wird. Er ist sicher, dass in fünf Jahren halb Europa die regulatorischen Voraussetzungen für den Vertrieb geschaffen haben wird und lässt an der Universität Frankfurt die Wirkungsweise wissenschaftlich erforschen.

Es geht schon auf Mitternacht zu, Zoë und Léontin sind längst nebeneinander im Liegestuhl eingeschlafen, als auf der Terrasse der Nachtisch serviert wird. Für ein lecker-fruchtiges Erdbeer-Tiramisu hat Natalie das hier abgedruckte Rezept leicht abgewandelt: „Ich habe maximal ein Drittel der angegebenen Menge Puderzucker verwendet, dafür aber deutlich mehr Espresso und Amaretto dazugegeben.“ Eva Bambach
   

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Erdbeer-tiramisu

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Zutaten (für 6 bis 8 Personen)
600 g Erdbeeren, 150 g Puderzucker, 250 g Sahnequark, 500 g Mascarpone, Saft von 1 Zitrone, 50 ml kalter Espresso, 2-3 EL Amaretto, 2 dunkle Biskuit-Tortenböden, Basilikumblätter und Schokoraspel zum Garnieren

Zubereitung
Die Hälfte der Erdbeeren grob pürieren und mit 100 g Puderzucker, Quark und Mascarpone glattrühren, mit Zitronensaft abschmecken. Espresso mit Amaretto mischen. Einen Biskuitboden auf die Größe der Form (20 x 20 cm) zuschneiden und die Form damit auslegen. Mit etwas Espresso-Mischung beträufeln und die Hälfte der Erdbeercreme darauf verteilen. Zweiten Boden zuschneiden und auflegen und mit dem Rest der Espressomischung beträufeln. Übrige Creme darauf verteilen. Eine Stunde kühl stellen.

Übrige Erdbeeren halbieren oder vierteln. Ein Drittel davon mit dem restlichen Puderzucker pürieren und dann mit den restlichen Erdbeerstücken vermischen. Erdbeerragout auf dem Tiramisu verteilen und mit gezupftem Basilikum und Schokoraspeln garnieren.

Kubanische Ceviche

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Zutaten (für 4 Personen)
500 g Kabeljaufilet, 2 Knoblauchzehen, Saft von 6 Limetten, 1 rote Zwiebel, eine halbe Chilischote, 5 g frischer Ingwer, 1 Avocado, 2 Zweige Koriander, Salz

Zubereitung
Fisch mit einem scharfen Messer in Würfel schneiden, in eine nicht metallische Schüssel geben und den Limettensaft dazugeben. Mit Frischhaltefolie abdecken und ca. 15 Minuten ziehen lassen.

Zwiebel schälen und in sehr feine Ringe schneiden. In eine Schüssel geben, mit Salz bestreuen und gut vermengen. Ingwer und Knoblauch schälen, fein hacken. Koriander waschen, abschütteln und fein hacken.

Chilischote entkernen und so klein wie möglich hacken. Fruchtfleisch der Avocado würfeln.

Alles unter den Fisch mischen und anrichten.