Heinrich Metzendorf hat ein schon allein hinsichtlich der Quantität überwältigendes Oeuvre hinterlassen, nicht nur an der Bergstraße. Doch findet man an manchen Orten eine besonders hohe Konzentration an „Metzendorf“ und dazu gehört die Stadt Bensheim, wo der Architekt in dem Papierfabrikanten und Kommerzienrat Euler seinen besonderen Förderer fand.1866 in Heppenheim geboren, hatte Heinrich Metzendorf zunächst im elterlichen Betrieb das Steinmetzhandwerk erlernt und sich dann mit mehreren, auch universitären Kursen und Volontariaten mehr oder weniger autodidaktisch zum Architekten fortgebildet. Sein Vorbild prägte offenbar auch die beiden jüngeren Brüder Georg und Franz, die beide auch Architekten wurden. Während Franz dennoch den Steinmetzbetrieb der Familie übernahm, arbeitete Georg zunächst im Büro seines älteren Bruders, machte sich später aber in Essen mit großem Erfolg selbstständig. Heinrich Metzendorfs Entwürfe machten deutschlandweit Furore und wurden in den zeitgenössischen Zeitschriften für Architektur breit besprochen und ausführlich abgebildet.Die meisten Gebäude von Heinrich Metzendorf gibt es in den Stadtteilen Bensheim-Mitte und Auerbach und wer hier durch die Straßen streift, passiert mit hoher Wahrscheinlichkeit einen oder mehrere seiner Entwürfe. Eine ganz besondere Trefferquote aber hat, wer einem der beiden „Metzendorf-Rundgänge“ folgt, die von dem ehemaligen Bensheimer Stadtarchivar Manfred Berg und dem Metzendorf-Spezialisten Frank Oppermann erarbeitet wurden und auf einem vom Magistrat der Stadt Bensheim herausgegebenen Flyer beschrieben sind.Den Flyer gibt es bei der Tourist-Information, aber auch in Verteilerkästen, die bei großen Infotafeln direkt am Rundgang angebracht sind, etwa am südlichen Eingang zum Stadtpark und in der kleinen Parkanlage am Ende der Bismarckstraße. Als pdf-Dateien können die Informationen auch online heruntergeladen werden, zum Beispiel per QR-Code aufs Smartphone.In der kleinen Grünanlage am Schnittpunkt von Bismarckstraße und Ernst-Ludwig-Straße steht ein von Heinrich Metzendorf entworfener Bismarck-Brunnen, der als für das ganze Viertel zentraler Gestaltungspunkt auch den Flyer ziert. Hier, direkt vor der Villa, die der Architekt im Jahr 1902 in der Ernst-Ludwig-Straße 25 für sich und seine Familie errichtet hat, ist auch ein guter Ausgangspunkt für eine der beiden beschriebenen Routen, nämlich den knapp zwei Kilometer langen Rundgang durch das sogenannte „Metzendorf-Viertel“.

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Der Architekt Heinrich Metzendorf hat in Bensheim viele Spuren hinterlassen. Bild: Thomas Neu
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Mit dem Flyer in der Hand wird der erste von zwei Metzendorf-Rundgängen erkundet. Im Hintergrund ist das Wohnhaus von Heinrich Metzendorf in der Ernst-Ludwig-Straße zu sehen – von ihm selbst für seine Familie entworfen. Bild: Thomas Neu

Der Name ist insofern irreführend, als hier auch viele etwa gleichzeitig errichtete und ebenfalls denkmalgeschützte Villen anderer Architekten stehen. Einige von diesen waren jedoch wiederum Mitarbeiter in Metzendorfs Büro. Vor allem aber geht die Anlage des Viertels auf ein Konzept zurück, das Heinrich Metzendorf mit seinem Bruder Georg im Sinne der damaligen Stadtentwicklung erstellt hatte, um wohlhabende Schichten nach Bensheim zu locken: Am Westhang des Kirchbergs entstand ein fortlaufendes Band von mit Gärten umgebenen, repräsentativen Villen. Ein Foto aus dem Jahr 1905 zeigt im Flyer den noch unverbauten Blick auf diese Häuser am Saum der Weinberge und Obstgärten, die sich damals bis auf die Höhen der Berge hinaufzogen.

Ein weiteres Foto zeigt das Esszimmer des Architekten in der Ernst-Ludwig-Straße 25 und lässt die Fantasie des vor dem Haus stehenden Betrachters ins sorgfältig und im Sinne eines Gesamtkunstwerks gestaltete Innere reisen. Doch auch das Äußere wirkt mit seinen vielen Details geradezu verspielt – insbesondere die Dachlandschaft mit ihren vielen Giebeln und sich durchdringenden Formen. Ein typisches Beispiel von Metzendorfs Landhausarchitektur, betont der Flyer und macht auf die Verwendung von gelbem Sandstein, die weißen Fensterrahmen und Holzzäune und die Verwendung von Odenwälder Holzschindeln, mithin von regionaler Bautechnik, aufmerksam.

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Das Haus im Bild rechts an der Ernst-Ludwig-Straße wurde von Heinrich Metzendorf für die Familie Euler gebaut. Links ein Detail der Fassade der prächtigen Villa an der Einmündung der Hochstraße in die Darmstädter Straße. Bilder: Thomas Neu
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Der Bismarck-Brunnen an der Ecke Bismarckstraße und Ernst-Ludwig-Straße. Bild: Thomas Neu

Ein schönes, wenn auch untergeordnetes Detail, das einem auf dem Rundgang immer wieder begegnet, sind die großen Sandsteinkugeln, die als Akzente auf vielen Mauerabdeckungen verteilt sind. Mehrere im Stil ähnliche Villen finden sich in unmittelbarer Nachbarschaft, darunter Häuser für die Familie Euler (Ernst-Ludwig-Straße 21 und Dürerstraße 2) – aber auch das Haus, das der Bruder Georg Metzendorf für sich geplant hatte (Dürerstraße 5).

Folgt man dem Rundgang auf der Ernst-Ludwig-Straße in südlicher Richtung, trifft man mit der hoch aufragenden Villa in der Arnauer Straße 15 auf ein ebenfalls von Heinrich Metzendorf stammendes Gebäude, das eine ganz andere Ausstrahlung hat. Nur etwa fünf Jahre früher als das eigene Wohnhaus geplant, setzte der Architekt hier auf rotes Ziegelmauerwerk anstelle von Sandstein. Der Sockel besteht aus unregelmäßigen Granitsteinen. Das Gesamtbild wird oft als unharmonisch beschrieben.

Ein paar Schritte weiter steht in der Arnauer Straße 7 ein weiterer, noch früherer Ziegelbau Metzendorfs, weit weniger monumental und vielleicht auch deshalb gefälliger, ebenso wie die noch spätere auf dem Rundgang anzutreffende kleine Villa an der Darmstädter Straße 77, deren Mauerwerk in gelbem Backstein mit Sandstein- und Fachwerkelementen kontrastiert.

Zuvor jedoch gibt es mit den beiden für Jean und Gustav Guntrum in der Darmstädter Straße 15 und 17 erbauten, äußerst repräsentativen Villen eine Merkwürdigkeit zu sehen: Die beiden Gebäude erscheinen so unterschiedlich, dass man kaum glauben kann, dass sie aus der Hand ein- und desselben Architekten stammen sollen und genau gleichzeitig, nämlich 1902 erbaut wurden. Wo Metzendorf bei dem einen Gebäude die symmetrische Anlage und damit auch eine gewisse Trutzigkeit betont, setzt er bei dem anderen auf Asymmetrie und eher märchenhafte Leichtigkeit – Eindrücke, die auch von den verwendeten Baumaterialien und den Dachformen gestützt werden.

In der Folge führt der Rundgang an zwei in den letzten Jahren schön restaurierten Bauten vorbei, die stärker als die etwas zurück und oberhalb liegenden Guntrum-Villen das Straßenbild prägen. Die Einmündung der Hochstraße in die Darmstädter Straße wird flankiert von zwei 1897/98 als Wohngebäude geplanten Villen, die im Flyer Metzendorfs „Übergangsstil“ zugerechnet werden, also stilistisch zwischen den Ziegelbauten in der Arnauer Straße und den Villen rund um den Bismarck-Brunnen anzusiedeln sind. Hier werde die historistische Formensprache überwunden, heißt es. Markant sei „die Auflösung des Daches in mehrere kleinere Dachflächen in Kombination mit Zwerchgiebeln, Ecktürmchen und einer Vielzahl unterschiedlicher Gauben“.

Der Rückweg führt noch einmal vorbei an den um 1902 entstanden Häusern für die Familien Metzendorf und Euler und zu einem ebenfalls von einer Familie dominierten Ensemble: In der Roonstraße 5 hatte sich 1904 der in Kaiserswerth geborene Maler und Fabrikantensohn Hermann Bahner von Heinrich Metzendorf eine Villa mit großem Atelierfenster bauen lassen. Sein Bruder Franz Bahner zog 1906 nach und ließ sich nur wenige Schritte weiter, in der heutigen Gerhart-Hauptmann-Straße 6 eine große Villa ebenfalls von Metzendorf errichten (die auf dem ehemals weitläufigen Parkgelände gelegene, zugehörige Autogarage von 1911 befindet sich in der Roonstraße 2).

Einige Jahre später zeichnete Franz Bahner offenbar wieder als Bauherr und Auftraggeber Metzendorfs verantwortlich, nämlich für die derzeit in Renovierung befindliche Villa in der Roonstraße 7. Davor befindet sich noch heute ein kleiner, als Grünanlage gestalteter Platz, um den die Häuser angeordnet wurden, ähnlich wie am von hier aus schon wieder in Blickweite befindlichen Ausgangspunkt des Rundgangs rund um den Bismarck-Brunnen. Eva Bambach