Keramik ist, wenn man etwas aus weicher Erde erhitzt und es danach hart ist“. So schlicht und einfach, wie Hans-Georg Fischer es verschmitzt ausdrückt, geht es aber ganz und gar nicht zu, wenn man den Töpfer in seiner Werkstatt beobachtet. Ton gehört zwar zu den ältesten Werkstoffen, die vom Menschen zu Kunst- und Gebrauchsgegenständen verarbeitet wurden - und zweifellos gelingt es jedem Kind, aus weichem Lehm ein Gefäß zu formen.

Doch nur wenn die Zusammensetzung stimmt, das Objekt fachgerecht und ohne Rissbildung getrocknet und anschließend bei ausreichend hoher Temperatur gleichmäßig gebrannt wurde, ist es einigermaßen haltbar. Schließlich gilt es noch, mit einer dünnen Schmelze darauf und einem zweiten Brennvorgang - dem Glasurbrand - nicht nur für schönes Aussehen zu sorgen, sondern auch für gute Reinigungseigenschaften und für Wasserdichte. Viel Know-how ist also nötig - und noch mehr Fingerspitzengefühl. Hingebung und Intuition reichen nicht, um geplante und maßhaltige Objekte herstellen zu können, es braucht dafür schon ein gerüttelt Maß an Übung und Routine.

Der seit mehr als zehn Jahren in Bensheim-Zell beheimatete Töpfer Hans-Georg Fischer hat das Handwerk von der Pike auf gelernt.
Nach der Schulzeit im Saarland klapperte er „poteries" in Frankreich ab, um eine gute Werkstatt zu finden, in der er eine Ausbildung zum Töpfer machen konnte. Einen Winter lang arbeitete er in einer kleinen Töpferei im französischen Jura mit und genoss dort im Anschluss eine anderthalbjährige „sehr ergebnisorientierte" Ausbildung, wie er es ausdrückt.

Gleichzeitig setzte er auf das wirtschaftlich mehr Sicherheit versprechende Studium der Biologie und ernährte seine Familie dann zwanzig Jahre lang als Wissenschaftler an verschiedenen Universitäten. ,,In der Wissenschaft wie im Handwerk muss man die Antworten systematisch erzwingen, das prägt mich auch heute", sagt Hans-Georg Fischer.

Die Zeller Werkstatt ist seine siebte, ,,und letzte", wie Hans-Georg Fischer betont.
Denn während er zuvor in Werkstattgemeinschaften und in gemieteten Räumen arbeitete, gehören ihm die Gebäude im Hambacher Weg 12 selbst. Als er vor zehn Jahren nach Zell kam, lebte und arbeitete er zunächst in einem gemieteten Haus an der Gronauer Straße. Vor fünf Jahren bekamen er und seine Frau die Gelegenheit, die heutigen Gebäude-in desolatem Zustand - zu erwerben und mit Hilfe örtlicher Handwerker instand zu setzen.

Das Nebengebäude war ursprünglich mal für eine Schneiderwerkstatt gedacht gewesen und entpuppte sich als idealer Standort für eine Töpferei, zumal im untersten Geschoss ein Starkstrom-Anschluss für den energiefressenden Brennofen vorhanden war. Dreimal so viel Strom wie der gesamte restliche Haushalt verbraucht der etwa 300 Liter fassende Spezialofen: Acht Stunden lang wird der Ofen ununterbrochen so hoch geheizt, dass er zwei Tage lang abkühlen muss, bevor er geöffnet werden kann. Erst dann kann der Inhalt entnommen werden - das Ergebnis von zwei bis drei Wochen harter Arbeit.

Es waren der Arbeitsplatz der Ehefrau in einem Institut bei Darmstadt, der Zufall und die Lage auf dem Immobilienmarkt, was die Familie ursprünglich nach Zell brachte, wo sie sich wohlfühlt und wo sie Freunde hat.
Die Kundschaft allerdings kommt zu einem nur sehr, sehr kleinen Teil aus dem Ort. Die Käufer finden sich quer durch die Republik. Der erste Kontakt kommt meist auf speziellen, kuratierten Keramikmärkten zustande. Fünf davon bestückt Hans-Georg Fischer im Jahr 2023, von Frankfurt über Berlin bis Bochum, Köln und Düsseldorf-, und kann über Nachfrage nicht klagen. ,,Etwa zwölfmal im Jahr wird ein Geschirrservice bei mir bestellt", sagt der Töpfer und ist damit auch gleich bei dem, was seine Keramik auszeichnet.

Dank akribischer Maß- und Wiegearbeit kann er die einmal festgelegten Maße einer Tasse oder eines Tellers genau einhalten, obwohl die Größe sich beim Trocknen und Brennen enorm verändert. In einem dicken Buch hält er die jeweiligen Daten genau fest. So kann jeder Kunde bei Bedarf weitere Geschirrteile seines Services später nachkaufen, etwa, weil er sich zur Erweiterung der Gedecke entschlossen hat oder weil etwas heruntergefallen ist. Doch erweisen sich die Keramiken von Hans-Georg Fischer als ausgesprochen langlebig. Dank hoher Brenntemperaturen sind sie gegen Stoß und Schlag recht unempfindlich.

Zwei unterschiedliche Arten von Keramik bietet der Töpfer an: Zunächst das bei 1260 Grad gebrannte Steinzeug, das er aus hellem Ton aus dem Westerwald fertigt. Daneben aber auch Porzellan, das einen besonders schönen weißen Farbton hat und leicht durchscheinend ist, und besonders fein wirkende, dünnwandige Objekte ergibt

Mit Fischer zusammen gibt es in der hessischen Innung insgesamt nur drei Töpfer, die das aus Australien stammende, viel teurere Material überhaupt auf der Töpferscheibe verarbeiten können.
„Es fühlt sich wunderbar zart an", schwärmt Hans-Georg Fischer, ,,aber es verhält sich bei der Verarbeitung wie Kaugummi. Man muss es regelrecht in Form streicheln". Porzellan ist nicht für die Töpferscheibe vorgesehen, sondern wird eigentlich in Gipsformen gegossen. Erst vor etwa 50 Jahren fing man in England an, das Rohmaterial auch irgendwie für die Drehscheibe tauglich zu machen. Er sei stolz, dass er damit arbeiten könne, sagt Hans-Georg Fischer. Man müsse viel Geduld aufbringen, immer fühlen, was die Finger gerade machen und dürfe bei der zeitaufwendigen Arbeit niemals absetzen.

Doch die Kunden kaufen Fischers Geschirr wohl nur in zweiter Linie wegen seiner exquisiten Technik. Vor allem überzeugt es sie ästhetisch.
Der Töpfer hat einen ganz eigenen, funktionalen Stil entwickelt, der bei aller Strenge und Zurückhaltung doch unverwechselbar ist. Sachlich ist auch die Farbgebung, die nur einfarbige, jeweils die Form betonende Akzente setzt. Etwa in bräunlichen Eisenoxidfarben oder Schwarz. Das weiße Porzellan kontrastiert er mit Rot, Gelb oder Schwarz. Nur Blau kommt auf keinen Fall in Frage: ,,Das war in den 80er Jahren groß gefragt - das mache ich aber nie wieder".

Das Töpferhandwerk stirbt aus, bestätigt Hans-Georg Fischer. Schon allein, weil aus finanziellen Gründen niemand derzeit Lehrlinge beschäftigen könne. Doch der Trend ist nicht neu. Während es um die Mitte des 19. Jahrhunderts in der Provinz Starkenburg noch rund 100 Töpfereien gab, hatte sich die Zahl schon in den darauffolgenden fünf Jahrzehnten halbiert.

Durchaus heutig und zeitgemäß bietet Hans-Georg Fischer seine Arbeiten in seiner Werkstatt unter dem Motto „Keramik zum Leben" an.
Eine besondere Gelegenheit zum Kennenlernen wird es am 11. und 12. März geben. Beim bundesweiten ,,Tag der offenen Töpferei 2023" kann man Fischers Werkstatt besichtigen und bei Kaffee und Kuchen seine manchmal fast transparent wirkenden und doch überraschend unempfindlichen Keramiken bestaunen. Eva Bambach

Kontakt

,,Keramik zum Leben"
Hans-Georg Fischer
Hambacher Weg 12
Bensheim-Zell
Telefon 06251/8696534
E-Mail: keramikwerkstatt-fischer@web.de