Oche, Flight und Shanghai Finish. Bouncer und Bullseye, Double Trouble und Single Wer das versteht, spielt Darts. Es geht um die magische Anziehungskraft eines acht Millimeter hohen Doppelfelds. Drei Treffer in die 20, ein Triple, bedeuten 180 Punkte. Der Caller ,,singt" das meist als melodisch langgezogenes ,,Onehundredandeiiighty". Im Darts ist 180 eine heilige Zahl. Beim klassischen 501er-Spiel geht es darum, den eigenen Punktestand von 501 auf Null zu reduzieren. Das Minimum sind dabei neun Würfe. Ein Nine-Darter. Das perfekte Spiel. Es gibt 71 verschiedene Möglichkeiten, um ein Leg (ein Spiel) mit einem Double Out (ein Wurf in ein Double-Feld) zu beenden. Wer eine davon wenigstens einmal schafft, darf stolz sein. Selbst den Topspielern der Professional Darts Corporation PDC gelingt dieses Kunststück nur äußerst selten.

Im WM-Finale zwischen Michael Smith und Michael van Gerwen Anfang Januar hat sich das beste Leg der bisherigen Darts-Historie ereignet. Und Smith hatte mit seinem Nine-Darter nicht nur die TV-Kommentatoren vom Sitz gehauen. Auch zu Hause hat das Publikum mitgefiebert. Mit dem Saarländer Gabriel „Gaga" Clemens hatte es ein Deutscher bis ins Halbfinale geschafft, wo der Siegeszug des ,,German Giant" erst von der „Scoring Maschine" Smith ausgebremst wurde.

,,Clemens' Erfolg wird nachwirken“, sagt Benjamin Lautenschläger.
Der 26-Jährige gehört zu den Gründern der Darts-Abteilung unter dem Dach des SV Schwanheim, die im März 2022 erstmals zum Training eingeladen hatte. Fast alle sind aktive Fußballer, von denen einige schon länger Pfeile werfen. Zwar nicht im ,,Ally Pally", wie das altehrwürdige Londoner Alexandra Palace auch genannt wird, sondern in einem funktionalen Vereinsheim gleich neben dem Fußballplatz. Dort hängen derzeit drei Dartscheiben, weitere sollen folgen. Die WM und das interne Turnier Anfang Januar mit 24 Freizeitspielern hat das Fieber noch verstärkt. „Das war ein gelungener und sehr spannender Tag", so Lautenschläger, der zu Hause eine Unicorn-Scheibe im Keller hat. Mit seinem Vater hat er schon als Kind die Auftritte des Engländers Phil Taylor verfolgt. Der 16malige Weltmeister ist zwar seit fast fünf Jahren in Darts-Rente, gilt aber als unantastbarer Großmeister der Szene.

Sein persönlicher Liebling ist der Schotte Gary Anderson. ,,Ich mag seinen Wurfstil", sagt Benjamin Lautenschläger.
Der ,,Flying Scotsman" ist zweifacher Weltmeister. Für den Schwanheimer - wie für viele Spieler - liegt der besondere Reiz darin, den Stars etwas abzuschauen. Nicht nur bei der Wurftechnik. Spitzen (Barrels), Schäfte und Flights, die kombinierbar. Lieblingsspieler drei Komponenten eines Dartpfeils, sind beliebig Fans kaufen sich Equipment ihrer und justieren ihre drei Pfeile so aus, dass der Wurf für sie am besten gelingt. Lautenschläger spielt 26-Gramm-Darts. Das ist eine eher höhere Gewichtsklasse. Einsteiger bevorzugen 23 Gramm. Eine Ausnahme ist Profi Stephen Bunting, der mit 12 Gramm die leichtesten Dartpfeile benutzt.

Das Wurfgerät bringt jeder selbst mit. Für den Rest sorgt die Abteilung. Aktuell plant Lautenschläger die Anschaffung von speziellen LED-Lichtringen, die um die Scheibe montiert werden und für eine maximale Ausleuchtung ohne Schattenwurf sorgen. Nicht ganz billig, aber wirkungs- und effektvoll. Im Frühjahr oder Sommer will der SV das Clubhaus ohnehin renovieren und leicht umbauen, so der Abteilungsleiter. Ein frischer Look in der Darts-Ecke kommt da wie gerufen.

Es ist das Duell eins gegen eins, der konzentrierte Wettbewerb und die Hoffnung, das persönliche Können im Moment des Spiels auch punktgenau abrufen zu können, was Benjamin Lautenschläger besonders fasziniert. Bei einem Turnier steigt der Kitzel um ein Vielfaches, betont er. Dann wächst der Druck, die Pfeile bestmöglich zu platzieren. Die individuelle Wurftechnik ist das eine, doch das meiste passiert zwischen den Ohren. Die eigentliche Schlacht findet im Kopf statt. Daher spielen körperliche Konstitution, Größe oder auch Geschlecht beim Darts praktisch keine Rolle. Es gewinnt, wer im Oberstübchen besser ist.

Weltklassespieler wie Michael van Gerwen, Peter Wright, Michael Smith, aber auch der stets ruhige Gabriel Clemens und der erst 17-jährige Frankfurter Fabian Schmutzler (zweitjüngster Teilnehmer in der Geschichte der Darts-Weltmeisterschaften) gelten als Mentalmonster. Und dem Kopfrechnen schadet der Darts-Modus ohnehin nicht. Denn als Spieler sollte man sich unabhängig vom Caller oder Schiedsrichter stets bewusst sein, welche Punktzahl man noch übrig hat, um ein möglichst optimales Finish zu spielen.

Wettbewerbe sollen in Schwanheim künftig regelmäßiger stattfinden. Ein Hauch „Ally Pally" wenigstens drei Mal im Jahr. Das nächste könnte im Juni stattfinden. Die Vorbesprechungen laufen noch. Die Abteilung heißt interessierte Steel-Darter übrigens auch abseits einer WM jederzeit willkommen. „Es entwickelt sich gerade sehr erfreulich, das Interesse wächst stetig", so Lautenschläger, der in dem Sport das Potenzial sieht, sich im ganzen Land breit zu machen. Es braucht wenig Equipment und noch weniger Platz. Die Distanz von Bullseye (Scheibenmittelpunkt, 1,73 Meter vom Boden) bis Oche (Abwurflinie) beträgt diagonal 2,93 Meter. Wer die Scheibe nicht klassisch platzieren möchte, kauft sich einen guten Dartständer. Neuerdings gibt es Teleskophalterungen speziell für Zimmerecken.

Bis vor etwa 15 Jahren spielte sich Darts in Deutschland kaum in Sportvereinen ab, sondern vor allem in der Kneipe. Momentan ist der Sport dabei, die mit ihm assoziierte Bierseligkeit sukzessive abzustreifen, ohne dabei seine basisdemokratische Natur zu verlieren. Auch die Profi-Millionäre sind meistens publikumsnahe, hemdsärmelige Typen, die sich auf der großen Bühne zur Marke stilisieren: ,,Snakebite" Peter Wright mit ständig wechselnd buntem Irokesenschnitt, ,,The Iceman" Gerwyn Price als streitbarer Muskelmann, oder „Rapid" Ricky Evans mit seinem enorm schnellen Wurfrhythmus. Hinzu kommen die Walk-on-Songs beim Einlaufen der Stars durch die Halle.

Von all dem Glamour, den kostümierten Fans und der quirligen Bierzeltstimmung des „Ally Pally" ist man beim SV Schwanheim weit entfernt. Doch der Spirit, die Leidenschaft und die unstillbare Lust auf Darts haben auch in dem einfachen Schwanheimer Vereinshaus ihren festen Platz. Die 180 ist auch hier eine magische Zahl. Thomas Tritsch

Mitmachen

Darts beim SV Schwanheim

Die neue Darts-Abteilung freut sich über weitere Mitstreiter. Trainiert wird immer samstags ab 19 Uhr im Vereinsheim am Schwanheimer Sportplatz. Wer (noch) nicht Mitglied im Verein ist, kann sich für 20 Euro eine 10-er Karte besorgen. Wer Lust hat, kann auch einfach spontan vorbeikommen. Ansprechpartner und Abteilungsleiter ist Benjamin Lautenschläger. Per Mail ist er unter svsdart@gmx.de erreichbar.

Infos im Netz: https://www.svschwanheim1958.de/darts