Ahoi und Prost! Rum und Seefahrt, das passt. Schon im 17. Jahrhundert haben Freibeuter in der Karibik ihr Unwesen getrieben und sich vor türkisblauem Meer den ein oder anderen Schluck aus der Pulle gegönnt. Als die Royal Navy später Jamaika erobert hat, waren auch die britischen Matrosen dem Zuckerrohrschnaps recht zugetan. Zumal Wasser und Bier bei tropischem Klima schnell im Eimer waren. Auch Gregor Thormann hat seine Liebe zum Rum bei der Marine entdeckt. Bis 2009 ist er drei Jahre lang zur See gefahren. Allerdings nicht als Pirat.

Die Welt war seine Heimat. Einmal ging es auf der Gorch Fock bis nach Martinique. Doch sein Faible gehörte nicht den Segel-, sondern den Stahlschiffen. Heavy Metal statt weichem Tuch. Irgendwann unterwegs hat er sich die Frage gestellt, warum es eigentlich noch keinen richtig guten deutschen Rum gibt. Mit dieser zunächst vagen Idee im Hinterkopf strandete er an neuen Ufern.

Nach seinem letzten Landgang wollte er zunächst Braumeister werden. Doch in letzter Minute entschied sich Thormann, es als Destillateur zu versuchen.
Unweit seiner Brandenburger Heimat südlich von Potsdam klopfte der schlaksige Typ mit der einnehmenden Art bei der Traditionsbrennerei „Echter Nordhäuser" in Thüringen an. Seine Lehre hat er als bundesweit Jahrgangsbester beendet. 2014 war er einer der jüngsten Brennmeister Deutschlands und darf selbst Nachwuchs ausbilden.

Gregor Thormann ist Destillateur aus Leidenschaft. 2014 war er einer der jüngsten Brennmeister Deutschlands. Bild: Thomas Neu
Gregor Thormann ist Destillateur aus Leidenschaft. 2014 war er einer der jüngsten Brennmeister Deutschlands. Bild: Thomas Neu

Noch im gleichen Jahr übernahm er die Leitung der Spirituosenschmiede im Halben Mond in Heppenheim. Im November ist er dann samt Equipment nach Bensheim umgezogen. Im Weinhaus Mohr an der Grieselstraße hat der Destillateur eine neue Heimat gefunden - und ein neues Genuss-Reich aufgebaut. Beide Standorte gehören zum Portfolio des Investorenpaars Petra Greißl-Streit und Jürgen Streit.

Bei unserem Besuch duftet es süß und zart nach Kräutern, Karamell und Früchten.
Die 200-Liter-Brennblase aus dem Hause Adolf Adrian ist für eine besonders feine und saubere Destillation in einem einzigen Durchgang bekannt. Die Destille ist aus Kupfer, weil das Material ein sehr guter Wärmeleiter ist und so die Maische gleichmäßig auf einer größeren Fläche erhitzt werden kann. Eine Verstärkerkolonne ermöglicht kontinuierlich mehrere parallele Trennvorgänge.

Die Anlage verfügt zudem über ein sogenanntes ,,Kotzgerät", was unangenehm klingt, aber die Weitergabe des Schaums in das Destillat verhindert und somit keine Bitterstoffe in den Alkohol transportiert. Eine kleine und komplexe Welt für sich, in der sich Gregor Thormann täglich bewegt. Und das nicht nur handwerklich souverän, sondern auch mit vielen kreativen Ideen für die Zukunft. Den Horizont immer im Blick.

Sein Anspruch: feinste Spirituosen, Liköre und Edelbrände zu produzieren. Die Lunatic!-Reihe umfasste anfangs Gin, Wodka, einen Pfefferminzlikör sowie Vermouth.
Außerdem wacht Thormann über mehrere fassgelagerte Whiskys. Als einer der damals wenigen Destillateure in Deutschland hatte Thormann einen Rum hergestellt. Der Namensgeber ist ein durchaus mystischer Ort bei Hamburg, der in früheren Zeiten ein Hinrichtungsplatz für Seeräuber war. Auch der sagenumwobene Klaus Störtebeker hat in Grasbrook den Tod gefunden. Eine einst sumpfige Insellandschaft im Urstromtal der Elbe, wo bis ins Jahr 1624 mindestens 428 Piraten enthauptet wurden. Der Große Grasbrook heißt heute Hafencity. Dort geht einmal im Jahr die Bio-Zuckerrohrmelasse aus Paraguay vor Anker, die Thormann für seinen Premium-Rum benötigt, der Anklänge von Vanille und leichtem Karamell sowie Nuancen von tropischen Früchten und Lakritz offenbart.

Bereits die Melasse ist reich an Aromen und natürlichen Bestandteilen. Bei der Gärung werden die wilden Hefen der Bergsträßer Weinlandschaft genutzt, die zwar etwas weniger Alkohol wie Reinzuchthefen produzieren, aber aromatisch gehaltvoller sind, erklärt der Destillateur. Die spätere Maische wird nach einigen Wochen mit einer Sekthefe geimpft". Gelagert wird der Grasbrook in unbenutzten amerikanischen Weißeichenfässern, die deutlich mehr Vanillin enthalten als die europäischen Tonnen. Ein langsames Toasten über kleiner Flamme löst viel süße Toffee-Aromen aus dem Holz, ohne dass es später zu rauchig schmeckt.

Gregor Thormanns „Karriere" begann bereits im zarten Alter von zwölf Jahren.
Schon damals experimentierte er mit Obstbränden, Johannisbeerlikör und Quittenwein, da sein Vater noch entsprechendes Equipment aus DDR-Zeiten besaß. Getrunken hat er seine gärenden Kreationen aus den dicken Ballonflaschen freilich noch nicht, doch die positiven Resonanzen von Freunden und Verwandten bei Familienfeiern und Dorffesten hatten seinen Ehrgeiz entfacht und ihn zum Weitermachen motiviert. Heute freut er sich über den kreativen Frei- und Spielraum, den er an seinem Arbeitsplatz genießt und der ihm eine Bühne für seine Leidenschaft bietet. Längst sind seine Produkte in Bars von München bis Berlin ein Begriff, und auch das Händlernetz wächst immer weiter.

Vor dem Rum war der Gin. ,,Damals ein leuchtender Stern am Spirituosenhimmel“, so Gregor Thormann, der mit zwei befreundeten Barkeepern einen besonderen Wacholderbrand entwickeln wollte. In einer kühlen Vollmondnacht philosophierte man über Rezepturen und den speziellen Spirit der Spirituose- und bald stand fest: Dieser Gin soll bei Vollmond destilliert und über einem Mondstein filtriert werden. Der Name ist doppeldeutig: Luna ist in der römischen Mythologie die Mondgöttin, im Englischen bedeutet „lunatic“ aber auch so viel wie wahnsinnig oder mondsüchtig. „Wir waren anfangs auch ein bisschen verrückt“, so Thormann rückblickend. Doch viele gute Ideen werden anfangs mitleidvoll oder abschätzig kommentiert.

Der Erfolg hat dem Spirituosenschmied recht gegeben. Für seinen Gin verwendet er 26 Kräuter und Gewürze, darunter Makedonischer Wacholder, Römische Kamille, Tonkabohnen aus Brasilien, Tasmanischer Bergpfeffer oder Galgantwurzel. Die Zahl 26 ist bewusst gewählt: Sie bezieht sich auf die Anzahl der Halbmondphasen innerhalb eines Jahres. ,,Seit jeher hat sich der Mensch an den Mondgezeiten orientiert, und wir nutzen die Kraft des Mondes bei der Herstellung unseres Gins", so der Brennmeister, der bei der jährlichen Destillata-Prämierung bester Spirituosen und Edelbrände in Österreich wiederholt ausgezeichnet wurde.

Auch seine Whisky-Linie bezieht sich auf eine spezielle Zahl. Keinen Zyklus, sondern ein historisches Datum.
Die sogenannte Heppenheimer Versammlung im Oktober 1847 war die Ouvertüre zur Märzrevolution, die letztlich zum ersten frei gewählten Parlament für ganz Deutschland geführt hatte. Dieser revolutionäre Gedanke einer Hand voll liberaler Politiker schaffte es als berühmte Ziffer auf das Etikett. Zumal der Whisky Freiheit 1848 damals auch noch in Heppenheim produziert wurde. Er lagert in Eichenfässern aus dem Spessart, das Getreide stammt von eigenen Feldern aus dem Brandenburgischen.

In diesem Jahr plant Gregor Thormann die Veröffentlichung seines ersten Roggenwhiskys. 2022 hat er einen siebenjährigen Rum aus der ersten Auflage von 2015 als limitierte Edition präsentiert. Doch der Blick geht in erster Linie nach vorn. Man will die Produktion in Bensheim künftig auch touristisch attraktiver machen, außerdem möchte man den Betrieb und alles drumherum nachhaltiger aufstellen - das beginnt bei der Nutzung von erneuerbaren Energien und reicht über Aufforstungsprojekte bis hin zu ökologisch sinnvollen Verpackungsmaterialien. In Bensheim setzt Gregor Thormann die Segel für die weitere Reise. Ein bisschen Seemann ist er eben doch geblieben. Thomas Tritsch

Mondsüchtig

,,Wir nutzen die Kraft des Mondes zur Herstellung unseres Gins", sagt Destillateur Gregor Thormann.


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https://www.spirituosenschmiede.com