Lorsch. Trotz Digitalisierung und vielen Automatismen: Ohne Handwerker wären die meisten Menschen ziemlich hilflos. Wer würde eine Heizung installieren, das Dach decken, den Friseur ersetzen können? Hans Joachim Teichmann ist deshalb sicher, dass der Gewerbeverein noch lange bestehen und auch den 150. Geburtstag erleben wird, solange sich Aktive auch im Vorstand engagieren. „Wir haben mehrere Mitglieder, die den Elternbetrieb übernehmen“, sieht der Vorsitzende den Verein gut aufgestellt.Er selbst hatte diese Möglichkeit nicht, trotzdem ist er Chef eines eigenen Betriebes. Er hat ihn selbst aufgebaut. Teichmann hat zwei Meistertitel, als Dachdecker und Klempner, und sogar eine dritte Ausbildung abgeschlossen, als Raumausstatter. Diese Arbeit, begonnen als 15-Jähriger, gefiel ihm zwar bald nicht mehr. Bereut hat er die Zeit trotzdem nicht.Arbeiten gelernt„Ich habe arbeiten gelernt“, sagt er. Nicht nur fachliche Kenntnisse meint er damit, sondern auch die erlernte Bereitschaft, bei kleinen Problemen nicht gleich hinzuwerfen, sondern sich „durchzubeißen“.Der ungeliebte Job führte dazu, dass Teichmann schließlich ein festes Ziel hatte: Dachdecker werden, den Meisterbrief erwerben, sich selbstständig machen – und das erfolgreich und mit Freude durchzog.Dass im Handwerk Nachwuchs fehlt, sei auch darin begründet, dass Jugendlichen Vorbilder fehlen, meint Teichmann, der selbst schon früh in der Schlosserwerkstatt seines Großvaters geholfen hat. Natürlich liege diese Arbeit nicht jedem, räumt er ein. Das Handwerk nur als körperlich anstrengend zu sehen und als Tätigkeit schon deshalb abzulehnen, weil mitunter viel Schmutz anfällt, hält er für falsch. Geändert hat sich ohnedies schon eine Menge. Als er einst auf dem Dach anfing, wurden Ziegel manchmal noch zum Mitarbeiter hochgeworfen – heute erledigt den Transport ein Aufzug oder Autokran.Die Akzeptanz des Handwerks sollte sich wieder verbessern, wünscht sich Teichmann. An der Bezahlung, so meint er, liege es nicht, dass Jugendliche bei der der Wahl des Ausbildungsberufes das Handwerk selten an erster Stelle sehen. Für gut ausgebildete Handwerker gibt es Bedarf und viele Entwicklungsmöglichkeiten.Es sollte auch mehr Werbung für die Berufe gemacht werden. Dass eine Kollegin als Influencerin junge Leute fürs Dachdeckerhandwerk interessiert, findet er gut. Teichmann hofft zudem, dass die Verbände darauf dringen, dass in Schulen der Werkunterricht nicht vergessen und das Niveau der Schulabschlüsse gehalten wird.Die Krisen der jüngsten Vergangenheit, der Krieg und die Energie-Knappheit haben vielen vor Augen geführt, dass man nicht alles für selbstverständlich gegeben nehmen darf. Wer hätte sich etwa vorstellen können, dass es eine Pandemie gibt und Kunden plötzlich vor leeren Klopapier-Regalen stehen, erinnert Teichmann. Die Folgen von möglichem Ressourcen- und Personalmangel sollte man im Blick behalten, sagt Teichmann und weist auf die derzeit „hohe Überalterung“ hin. Wenn es nicht gelinge, die Zahlen im Handwerk wieder zu steigern, könnte es irgendwann „düster“ aussehen, fürchtet der Dachdeckermeister, selbst 63 Jahre alt. Man wird dann zwar wie heute selbstverständlich nach einem Handwerker rufen – aber es kommt vielleicht niemand mehr.Grundsätzlich aber ist Hans Joachim Teichmann zuversichtlich. Nach den Vorteilen einer Vereinsmitgliedschaft gefragt, antwortet er auch mit einem Argument, das vielen nicht gleich einfallen würde: „Menschen, die sich sozial engagieren sind glücklicher als diejenigen, die das nicht tun.“ sch