Wie eine Reise in die Vergangenheit
Kaufhaus Krämer

Leichter Gruselfaktor: In den Räumen des ehemaligen Kaufhauses Krämer wimmelt es noch von alten Schaufensterpuppen. Bilder: Thomas Neu

An die ehemaligen Bewohner dieses Hauses erinnern Namensschilder an den Haustüren. Viel Unrat hat sich angesammelt, in der Luft liegt ein leicht modriger Geruch, der entsteht, wenn sich in ungeheizten Räumen der Staub der Jahre und Feuchtigkeit zu einer unangenehmen Melange verbinden. Im vergangenen Jahr wurden einige Räume für Dreharbeiten der Komödie „Lucy ist jetzt Gangster“ revitalisiert und so stoße ich im oberen Wohnbereich auf frisch verlegten Teppichboden und blaue Holzverkleidung an den Wänden.


Aus den Fenstern ergeben sich ungewohnte Blicke auf die Bensheimer Innenstadt und die umliegende Dächerlandschaft. Die letzte Fotosession bei diesem ungewöhnlichen Auftrag ist die spannendste: Für die Kellergewölbe habe ich mir Unterstützung mitgebracht. Ein Freund hilft mir als Beleuchter und ist ein sinnvoller Sicherheitsfaktor in dem labyrinthartigen Kellergewölbe, in dem es nicht ratsam ist, allein unterwegs zu sein. Ein Sturz oder eine unachtsame Bewegung könnten fatale Folgen haben – ohne Handyempfang und Ortung.
Auch hier gibt es viele interessante Objekte zu entdecken, alte Schränke oder verstaubte Unterlagen, die an die Kaufhausgeschichte erinnern. So zum Beispiel die „Tarifordnung für den Groß- und Einzelhandel im Wirtschaftsgebiet Hessen“. Davor auf dem Boden liegend ein trauriger Anblick: ein mumifizierter Frosch auf einem gelochten vergilbten Blatt Papier.
Auch Weinflaschen lagern noch im Keller, allerdings keine wertvollen Weinraritäten, sondern Rebensäfte, die höchstens noch für die Salatsoße taugen. Nach drei Stunden im Keller steige ich mit meinem „Beleuchtungsassistenten“ wieder ans Tageslicht, und wir sind beide froh, wieder frische Luft zu atmen. Mittlerweile sind die Kellerräume leer geräumt – und somit sind die Aufnahmen auch ein Stück Bensheimer Geschichte. Im Laufe der nächsten Jahre sollen die Architektin Barbara Olbrich und der Architekt Sanjin Maracic dem historischen Gebäudekomplex neues Leben einhauchen. Thomas Neu
info Hintergrund

Die Witwe des jüdischen Kaufmanns, Elise Neugaß, kaufte 1876 das Manufakturwaren- und Konfektionsgeschäftshaus von Georg Krausser an der Ecke Hauptstraße/Bahnhofstraße und verlegte das Geschäft dorthin – es war die Geburtsstunde des Kaufhauses Reiling.
Das Sortiment war breit aufgestellt, von Herren- und Damenbekleidung über Pelze, Möbel bis hin zu Gardinen reichte die Warenvielfalt. Zudem betrieben die Söhne des Gründers, Lazarus und Daniel Reiling, ein kleines Bankgeschäft.
1911 kam schließlich Professor Heinrich Metzendorf ins Spiel. Er wurde von der Familie mit dem Um- und Erweiterungsbau beauftragt – das Ergebnis lässt sich heute noch unter anderem an der flexiblen Nutzung der Räumlichkeiten und den markanten Rundbogenfenstern ablesen.
Als innovativ gilt damals wie heute der Erweiterungsbau entlang der Bahnhofstraße, den Metzendorf in Anlehnung an die großen Kaufhäuser in Berlin, München und Paris gestaltet.
1929 stellte die Familie Reiling den Kaufhausbetrieb schließlich ein. Nach der Aufgabe des Geschäfts zog die Familie von Artur Reiling nach Zwingenberg und emigrierte von dort aus.
Später übernahm das seit 1909 bestehende Kaufhaus Blüm & Krämer das Gebäude an der Ecke Marktplatz/Bahnhofstraße. Es wurde seit 1936 von Wilhelm Krämer und seiner Frau Auguste, geborene Ebling, geführt.
Nach dem Tod des Ehepaars Krämer leitete Richard Ebling den Betrieb gemeinsam mit Hans Emig, der 1964 ausschied.
Richard Eblings Sohn Hans trat 1970 in den elterlichen Betrieb ein. Er führte das Kaufhaus bis zur Schließung aus wirtschaftlichen Gründen im Jahr 2003.
2018 kaufte die städtische Marketing- und Entwicklungsgesellschaft (MEGB) das denkmalgeschützte Ensemble für knapp zwei Millionen Euro, abgesegnet von der Stadtverordnetenversammlung.
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