Bergstraße. Im Frühjahr und im Herbst hatten die Bergsträßer die Wahl: Am 14. März machten sie bei der hessischen Kommunalwahl Kreuze für die neue Zusammensetzung des Kreistags, von Gemeindevertretungen und Stadtverordnetenversammlungen sowie von Ortsbeiräten. Außerdem galt es an diesem Tag zu bestimmen, wer künftig als Landrat die Geschicke der Kreisverwaltung lenkt. Der nächste Urnengang fand dann am 26. September statt: Die Bundestagswahl stand an.Alle diese Wahlen fanden unter Corona-Bedingungen statt. Präsenzveranstaltungen waren viel dünner gesät als gewohnt, ein großer Teil des Wahlkampfs fand im Internet statt. In den Wahllokalen herrschte Maskenpflicht, zum Teil wurden andere Räume gewählt als sonst, damit Abstände besser gewahrt werden konnten, Desinfektionsmittel wurde bereitgestellt. Bei den Anteilen der Briefwähler wurden alle bisherigen Rekorde gebrochen.Das wohl deutlichste Ergebnis gab es bei der Landratswahl: Mit 63,3 Prozent der Stimmen lag Amtsinhaber Christian Engelhardt deutlich vor seinen Konkurrenten, dem Kreisbeigeordneten Karsten Krug (SPD, 23,9 Prozent) sowie der Kreistagsabgeordneten Evelyn Berg (Grüne, 12,8 Prozent). Der Christdemokrat, der zum zweiten Mal nach 2015 angetreten war, verstand es, Öffentlichkeitsarbeit gewinnbringend anzuwenden. Auch seine fast täglichen Video-Botschaften zur Corona-Pandemie kamen bei vielen Bergsträßern gut an.Bei der Kreistagswahl lag die CDU ebenfalls vorne und verbesserte ihr Ergebnis gegenüber 2016 um vier Prozent. Zusammen mit den Grünen, die sogar noch deutlicher zulegten und auf über sieben Prozentpunkte mehr kamen als vier Jahre zuvor, bildeten sie in der Folge die neue Bergsträßer Mehrheitskoalition. Der bisherige Juniorpartner SPD büßte Stimmen ein und ging in die Opposition. FDP, Linke und der Verein Freie Wähler hielten bis auf wenige Stellen hinter dem Komma ihre Ergebnisse. Lediglich die AfD, 2016 noch aus dem Stand auf 15,9 Prozent gesprungen, verlor 7,8 Prozent und damit fast die Hälfte ihrer Stimmen.Wahlverlierer Karsten Krug, nach wie vor Kreisbeigeordneter, forcierte wenige Monate nach der Kommunalwahl seine Abberufung. Beim ersten Wahlgang im November bekam der Abwahlantrag die nötige Zweidrittelmehrheit, das Ergebnis soll bei einem zweiten Durchgang im nächsten Jahr bestätigt werden. Bald darauf gilt es, Kreisbeigeordneten-Wahlen abzuhalten, da die Amtszeit der Ersten Kreisbeigeordneten Diana Stolz im Sommer ausläuft.Die Grünen legten auch bei den Wahlen auf Ebene der Städte und Gemeinden deutlich zu – am meisten in Bensheim, deutlich auch in Zwingenberg, weniger in Lorsch und Lindenfels. In der Stadtverordnetenversammlung der Klosterstadt blieben die Christdemokraten stärkste Kraft, ebenso in Zwingenberg und Bensheim, außerdem gewannen sie die Mehrheit in der früheren SPD-Hochburg Lautertal. Die Sozialdemokraten steckten überall ordentlich ein, behaupteten aber – trotz ebenfalls massiver Verluste – die Mehrheit in der Lindenfelser Stadtverordnetenversammlung.Ein völlig anderes Bild gab die Bundestagswahl im Herbst ab. Der Wind hatte sich gedreht, plötzlich wählten die Menschen wieder SPD. Der CDU fehlte der Merkel-Bonus, ihr Kandidat Armin Laschet leistete sich eher Peinlichkeiten, als dass er Wähler überzeugte. Wie bundesweit auch lagen die Genossen bei den Zweitstimmen komfortabel vor der CDU. Freude und Leid lagen aber für die Sozialdemokraten nahe beieinander: Die SPD stellt in den nächsten Jahren keinen Bundestagsabgeordneten von der Bergstraße. Ihr Direktkandidat Sven Wingerter unterlag dem christdemokratischen Politprofi Michael Meister. Der SPD-Mann war auf der Landesliste seiner Partei zudem zu weit hinten platziert, um über die Zweitstimmen in den Bundestag einziehen zu können. Dies gelang jedoch Till Mansmann (FDP) zum zweiten Mal, so dass zwei Bergsträßer Politiker im Bundestag vertreten sind. Mit der neuen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht ist außerdem eine Sozialdemokratin von der Bergstraße Teil des neuen Ampel-Kabinetts. Von Konrad Bülow